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/ Wort zum Tag

Innerlich frei sein

Manfred Kasemann über 5. Mose 15,10.

Dein Herz soll sich’s nicht verdrießen lassen, dass du deinem armen Bruder gibst.

5. Mose 15,10

Mir erzählte ein junge Frau, dass sie auf der Straße einen 50 € - Schein gefunden hätte. Im Betrieb hätten sie gesagt: „So ein Glück möchte ich auch ’mal haben. Da könnte ich mir doch dieses und jenes kaufen. Ihn bei einem Fundbüro abgeben? Warum das? Da kann ja jeder kommen und behaupten, einen Fünfziger verloren zu haben“. So gingen die Meinungen hin und her.

Die junge Frau hat ihn abgegeben und wir unterhielten uns darüber, wie viel wert es ist, Freiheit zu erleben. Zu erleben, nicht der Anziehungskraft eines Geldscheins ausgeliefert zu sein. Jenseits von Pflicht und Moral diese Erfahrung zu machen, innerlich frei zu sein.

„Dein Herz soll sich’s nicht verdrießen lassen, dass du deinem armen Bruder gibst“. Dieser Bibelvers aus 5. Mose 15,10 lebt von solch einer Freiheit. Anders ausgedrückt: Dein Herz wird frei, beherzt zu handeln. Und der Mensch atmet auf in einer Freiheit füreinander. Freiheit, die nicht eine moralische Anstrengung ist. Sie ist eine Freiheit, die sich an einer anderen Freiheit angesteckt hat.

Es ist die Freiheit Gottes, auf seine Menschen beherzt zuzugehen. Im Alten Testament lässt Gott seine innige Nähe durch z. B. die Propheten zum Ausdruck bringen. Durch unselige gesellschaftliche Entwicklungen tut sich ein Graben zwischen arm und reich auf. Und Gott solidarisiert sich mit den Armen. Nicht gegen die Reichen. Er will sie gewinnen. Er will ihre Herzensenge, ihre angina pectoris, heilen. Es ist die Freiheit Gottes, sich dabei zu den Armen zu gesellen und zu sagen: „Ihr findet mich bei den Armen!“ Die Folge ist: „Nur mit den Armen zusammen findet ihr Gemeinschaft mit mir!“

Jesus erzählte die Geschichte vom reichen Prasser und dem armen Lazarus. Zwei Leben, die aneinander gescheitert sind. Das Leben des Armen scheitert am Reichtum des Reichen. Das Leben des Reichen scheitert an der Armut des Armen. Das Urteil Jesu, zumindest in dieser Geschichte, lautet: Vor Gott sind die Armen arm und die Reichen auf Kosten der Armen reich. Und: Nur mit den Armen zusammen findet ihr Gemeinschaft mit mir.

Es ist die Freiheit Gottes arm zu werden. Einer wie Paulus ist davon ergriffen worden. Er fasst es für sich so zusammen: „In Christus ist Gott arm geworden. Für euch. Ihr sollt in eurer Armut reich an Gottesnähe werden und Gottesfreiheit.“

Gottes Heil ist nicht wie ein Almosen eines Menschen, der einen Teil des eigenen Überflusses mit mitleidiger Geste hergibt. Gottes Freiheit bedeutet, das Schicksal seiner Menschen voll und ganz zu teilen. Sie macht einander ähnlich, sie schafft Gleichheit, reißt trennende Mauern nieder und hebt Abstände auf.

So konnte Jesus in seiner Bergpredigt die Armen selig nennen. Das ist mit guten Gründen allein nicht sagbar. Das lebt von einer Freiheit, die das Gewöhnliche sprengt. Und Gott tritt auf die Seite seiner Menschen. Er teilt sein Leben mit seinem Menschen. Diese sind berührt, öffnen sich, erleben diese Freiheit zu teilen. Sie spüren, wie gut es tut.

Wo man das erlebt, soll man sich solche Augenblicke bewahren. Sie können zu einer Quelle für neue Erfahrungen dieser Art werden. Weil man nicht genug davon bekommen kann.

Oder, wenn es noch nicht so weit ist, kann man es sich intensiv vorstellen, es möge so sein mit der Freiheit, mit uns und den Armen.

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