/ Wort zum Tag
Gott ist anders
Paul-Ludwig Böcking über Psalm 14,2.
Der HERR schaut vom Himmel auf die Menschenkinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage.
Unsere Kinder haben es früher in der Jungschar gesungen: „Pass auf kleines Auge, was du siehst, denn der Vater in dem Himmel sieht herab auf dich. Drum pass auf kleines Auge, was du siehst.“ Die nächste Strophe lautete: „Pass auf kleine Hand, was du tust. Denn der Vater in dem Himmel sieht herab auf dich. Drum pass auf kleine Hand, was du tust“. Es folgen der Fuß und andere Körperteile, mit denen ich aktiv werden kann. Vielleicht kennen Sie dieses Lied auch? Für viele Menschen wirkt es allerdings unangenehm. Es atme den Geist eines angstmachenden und strafenden Gottes. Ein drohender Kontrolleur und ein übermächtiger Richter ist Gott in diesem Lied. Das sei nicht mehr vermittelbar.
Hören Sie auf das für den heutigen Tag ausgeloste Bibelwort der Herrnhuter Brüdergemeine. Es steht im 14. Psalm, Vers 2: „Der Herr schaut vom Himmel auf die Menschenkinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage.“
„Der Herr schaut vom Himmel auf die Menschenkinder, dass er sehe…“ Das ist: unangenehm. Es ist genau der Gott, von dem im Kinderlied gesungen wird. Der alles prüfende Weltrichter. Und der entspricht dem gesamten Zeugnis der Bibel. „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi“, heißt es im Neuen Testament. Der biblische Gott ist nicht so zum Wohlfühlen harmlos, wie viele ihn oft darstellen. Das Kinderlied kann in der Tat feinfühlige Kinder verängstigen. Achtsamkeit ist geboten. Aber ich als Erwachsener nehme heute zur Kenntnis, dass Gott absolut ernst zu nehmen ist. Viele spotten über seine scheinbare Untätigkeit. Dabei sieht Gott nicht nur still zu, was wir Menschen auf dieser Erde anrichten. Aber er registriert es. Nichts wird vergessen. „Der Herr schaut vom Himmel…“ Das ist oft unangenehm. Und es ist doch gut so. Noch zahlt uns Gott nicht heim, was wir gegen ihn und gegen einander tun. Noch ist Zeit zur Umkehr zu ihm. Noch bleibt Gott auf Distanz. Er regiert unsichtbar in seiner himmlischen Wirklichkeit. Überlegen und souverän. Unangreifbar. Wirklich Gott, der den Titel Gott verdient. Das ist gut so.
Warum schaut der Weltrichter so distanziert auf uns Menschen? Damit Sie und ich nachdenken! Die nächste unangenehme und gleichzeitg gute Nachricht: „Der Herr schaut, dass er sehe, ob jemand klug sei.“ Verstand ist gefragt. Genaues Hinsehen, kritisches Prüfen. Eben nicht Wohlfühlen und Harmonie als letzter Maßstab für unsere Entscheidungen. Das ist unangenehm. Gleichzeitig nimmt Gott damit jeden von uns ernst. Er hält sich zurück, um uns zum Zug kommen zu lassen. Unsere Verantwortung, unsere Eigenständigkeit, unsere Klugheit ist dringend erwünscht. Wirklich Weise, Verständige sucht Gott. Da kann ich mir nur gratulieren, zu so einem uns Menschen wertschätzenden und achtenden Gott zu gehören.
Warum schaut der Weltrichter so distanziert auf uns Menschen? Damit wir nach ihm fragen. Damit wir nach ihm suchen. Auch das ist unangenehm und gleichzeitg gut. Es gibt auf Dauer kein Mitschwimmen in der schönen Gemeinschaft der Gleichgesinnten. Oft tritt Gott Menschen ungefragt in den Weg. Aber ohne bewusste und immer wiederholte Zustimmung zu ihm vereinnahmt Gott niemanden. Das ist unangenehm. Und es ist gut. Denn Gott lässt sich nicht einfach so verzwecken und für uns missbrauchen. Ich muss nach ihm suchen. In Zeiten der Anfechtung und des Zweifels ist es wichtig, an Gott dranzubleiben. Ich lerne, dass Gott anders ist und anders kann als ich meine. Nirgends gelingt das besser als in der Hingabe an den für uns gekreuzigten und auferstandenen Jesus. Den Sohn Gottes.
Ihr Kommentar
Kommentare (7)
Sehr gut formuliert und beschrieben!!! Danke!!!
Danke Herr Bucking für Ihre Auslegung Was ich persönlich heraushöre ist, dass wir einen liebenden Gott haben, der sich uns zuwendet und so viel Vertrauen hat und uns wie gute Eltern einfach mal lassen macht, was schwer sein kann.
Ich habe das Kinderlied nie als Bedrohung empfunden sondern als Zusage Gott sieht mich, er ist da, er achtet auf mich. Pass auf, war für mich ein Hinweis auf, Schlaf nicht, träum nicht sondern schau hin. Ich bin da, in meiner Liebe sehe ich dich.
Ich höre jeden Morgen die Impulse
und freue mich darüber. Doch diese
Gedanken sind für mich nicht mutmachend. Sie schrecken mich ab.
Gott ist jeden Tag da und ich darf umkehren, jeden neuen Tag. … mehrJa, ich habe schon Prüfungen durchstanden.
Aber immer habe ich erfahren, dass Gott liebevoll uns lockt. Trotz aller Schwierigkeiten kann ich Gott nicht so sehen wie in der Andacht von Herrn Böcking!
Mit diesem Lied bin ich aufgewachsen. Mein Tun war bestimmt von diesem Gott. Jeder Besuch im Kino, jedes mitmachen bei Veranstaltungen war bestimmt von diesem Gott der mir immer im Nacken saß. Bis in … mehrmein Erwachsenwerden verfolgte mich die Vorstellung bei Fehlverhalten (was war Fehlverhalten?) es gab wieder schlechte Noten bei Gott.
Es hat lange gedauert bis ich durch Erfahrungen und Gesprächen einen Gott gefunden habe, der mir mit seiner unwahrscheinlichen Liebe begegnet. Dem ich mit Ehrfurcht und Anbetung begegnen kann. Manch mal kommt auch der Hinweis, Siegfried da ist etwas nicht in Ordnung. Und wenn ich dann bekenne und um Vergebung bitte weiß ich das meine Schuld durch Jesu Tod am Kreuz meine Schuld ins Meer geworfen ist, wo es am tiefsten ist.
Und mit diesem Gott gehe ich heute in diesen Tag hinein und freue mich, dass er mitgeht. Und am Ende des Tages darf ich zu ihm kommen um ihm zu danken und anzubeten.
Siegfried
Sehr ermutigend und wertvoll, danke für die Auslegung
Dieser Beitrag ist aus meiner Sicht Ausdruck einer grenzwertigen Frömmigkeit, wie sie mir leider schon oft begegnet ist.
Nein, Herr Böcking, der Gott aus dem Psalm ist NICHT derselbe Gott wie in dem … mehrKinderlied. Ja, beide sind Sucher. Aber der aus dem Psalm ist Obrist seiner Kampfeinheit, der Krieger sucht. Der aus dem Lied dagegen ist ein Lagerkommandant, der vom Wachturm blickt. Der aus dem Psalm ist ein Liebhaber, der die Verehrung und Zuwendung seiner Liebsten sucht; der andere ist ein Staatsanwalt, dessen Passion es ist, Verbrechen aufzudecken. Und NEIN, der aus dem Psalm schaut gerade eben NICHT "distanziert"; seine Suche hat ihn ja im Gegenteil dazu gebracht, Mensch zu werden, weil er von oben, vom Himmel, nicht richtig suchen kann! Wäre es anders, so wäre Jesus nie in diese Welt gekommen: "Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde." (Joh 3,17)
Und Ja, Gott ist auch Richter. Aber "dat krieje mer später" - und schauen Sie sich in diesem Zusammenhang mal Joh 5,24 an! Bis dahin gilt Gottes Absage an jegliche Form der Werk- und Selbstgerechtigkeit: "Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Leib des Todes? Dank sei Gott durch Jesus Christus, unsern Herrn!" (Röm 7,24.25a)
Der Christ tut, weil er LIEBT - und nicht, weil er beobachtet wird.