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Für die ganze Welt

Luitgardis Parasie über 1. Johannes 2,2.

Jesus Christus ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.

1. Johannes 2,2

„Jesus Christus ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.“ – so heißt es im 1. Johannesbrief, Kapitel 2, Vers 2.

Versöhnung für die Sünden der ganzen Welt? Puh, da komm ich ganz schön ins Stocken. Klar, was den Einzelnen betrifft: Da finde ich es total wichtig, dass Jesus mir vergibt und mich mit Gott versöhnt. Es ist das Herzstück unseres Glaubens. Jeden Tag bete ich es im Vaterunser: Und vergib uns unsere Schuld.

Mit meinen Konfirmanden haben wir manchmal Stationen zum Thema Vergebung aufgebaut. Eine war in der Kirche, am Taufbecken. Mit wasserlöslichem Filzstift konnten die Konfis eine belastende Sache auf ein weißes Blatt schreiben. Es wurde ins Taufbecken gelegt, mit Wasser übergossen, die Schrift verschwamm. Die Schuld ist für Gott verschwunden. Dank Jesus. Das tut richtig gut.

Aber Versöhnung für die Sünden der ganzen Welt? Für die ganz Schlimmen? Römische Kaiser, die Christen in der Arena von wilden Tieren zerreißen ließen, als Volksbelustigung. Führende Nationalsozialisten im dritten Reich, die sechs Millionen Juden ermorden ließen und einen furchtbaren Krieg anzettelten. Heutige Diktatoren und Kriegsverbrecher, die Frauen die Freiheit nehmen, Christen verfolgen, Andersdenkende foltern, ihre Macht um jeden Preis ausdehnen wollen, egal wie Viele dabei sterben. Menschen, die völlig verblendet sind und ihre bösen Taten bis ans Ende nicht bereuen. Gilt das für die auch? Das kann ich mir nicht vorstellen. Und ganz ehrlich, ich möchte Hitler nicht im Himmel begegnen.

Manche sagen: Dieses Böse steckt doch auch in uns. Wir sind alle potenzielle Verbrecher. Aber selbst wenn das so wäre: Es ist doch ein Unterschied, ob es nur in mir steckt, oder ob ich es auch tue. Das Böse kommt ja nicht einfach ungewollt über mich – ich muss mich doch bewusst dafür entscheiden.

Und genau so, denke ich, muss ich mich auch für die Versöhnung mit Gott bewusst entscheiden. Auch die kommt nicht ungewollt einfach über mich. Ja, Jesus hat uns mit Gott versöhnt. Das gilt für Alle – aber doch nicht, wenn die sich komplett dagegenstellen. - Ich bin jedoch froh, dass am Ende nicht ich das entscheiden muss, sondern Gott.

Meine Freundin hatte etwas Schreckliches entdeckt. Ihr Vater war ein Kriegsverbrecher. Während des Zweiten Weltkriegs war er in Nordfrankreich daran beteiligt, Mitglieder des französischen Widerstands zu foltern und zu ermorden.

Meine Freundin fand das alles erst nach dem Tod ihres Vaters heraus. Es war für sie ein Schock. Sie sagt: „Mein Vater war ein gebildeter Mann. Ich habe ihn als liebevoll in Erinnerung. Und nun das. Seine Hände, die mich gestreichelt haben, haben andere gequält. Diese Bilder bringe ich bis heute nicht zusammen.“

Zwei Mal fuhr sie mit ihrer Familie nach Nordfrankreich, sah die Folterzentrale. Sie konnte es nicht fassen, trug schwer an den Taten ihres Vaters, eine Last auf ihrer Seele, jahrelang.

Dann kam dieser Moment in einem Gottesdienst. Das Glaubensbekenntnis wurde gesprochen: „Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.“ Sie stockte. Konnte nicht mehr weitersprechen. Erleichterung durchströmte sie. Sie sagte später zu mir: „Ich habe meinen Vater lange verurteilt. Er musste ja auch nie büßen für seine Taten. Das finde ich schlimm. Aber in diesem Moment wurde mir klar: Es gibt eine letzte Gerechtigkeit. Vor Gottes Gericht muss er sich auf jeden Fall verantworten. Ob die Versöhnung durch Jesus auch für ihn gilt, das wird Gott entscheiden. Ich kann loslassen. Gott wird sich darum kümmern, und ich bin frei.“

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Kommentare (1)

Waltraut L. /

Liebe Frau Pastorin Parasie,
Sie haben mir heute eine Antwort gegeben auf eine Frage, die ich mir schon lange stelle. Werde ich im Himmel womöglich Hitler oder andere Verbrecher treffen?
Danke für mehr