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/ Wort zum Tag

Eine ungewöhnliche Gewichtung

Stefan Lämmer über Jesaja 61,1.2.

Der HERR hat mich gesandt, zu verkündigen ein gnädiges Jahr des HERRN und einen Tag der Rache unseres Gottes.

Jesaja 61,1.2

Sagt ein Zehnjähriger zu seinem Papa: „Wir brauchen für die Schule einen Globus!“ „Nichts da!“ antwortet der Vater, „du fährst weiter mit dem Schulbus und aufs Klo kannst du zu Fuß gehen!“

Missverständnisse gibt es auch bei dem Bibelwort aus dem Jesajabuch, Kapitel 61. Der Prophet kündet an: „Der Herr hat mich gesandt, zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn und einen Tag der Rache unseres Gottes.“

Zuerst fällt mir der große Unterschied auf. Ein gnädiges Jahr und einen Tag der Rache. Ein ganzes Jahr und ein einziger Tag werden gegenübergestellt. Das Positive überragt das Negative. Das Geschenk übertrifft die Strafe.

Ich lerne: „Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte.“ Eine ähnliche Gegenüberstellung wie im Jesajabuch finde ich in Psalm 30: „Sein Zorn währt einen Augenblick und lebenslang seine Gnade.“

Wenn Gott zornig wird, dann wird deutlich: Gott kennt Gefühle. Er besitzt ein Herz; ein Herz für Sie und mich. Und Gottes Zorn unterscheidet sich von menschlicher Rache. Die göttliche Rache darf nicht vorschnell mit Wut und Gewalt verbunden werden. Das wäre ein Missverständnis.

Selbst Menschen können zornig sein und friedlich protestieren. Ich erinnere an Rosa Parks. Müde von ihrer Arbeit machte sie sich auf den Heimweg. Weil sie sich erschöpft auf einen freien Sitzplatz setzte, der für Weiße reserviert war, wurde Rosa Parks verhaftet.

Als sie wegen dieser Kleinigkeit in Haft kam, wurde Martin Luther King zornig. Er organisierte einen friedlichen Protest, sodass viele auf die öffentlichen Busse verzichteten und zu Fuß zur Arbeit marschierten.

Auch im Alten Testament schwingt trotz des Zornes Gottes seine Güte im Hintergrund mit. Darum stellt der Prophet Jeremia fest (3,12): „Ich bin gnädig, spricht der Herr, und will nicht ewiglich zürnen.“

Die Rache Gottes darf also nicht mit roher Gewalt verwechselt werden. Das Wort aus Jesaja begegnet mir wieder am Anfang von Jesu öffentlichem Wirken. Jesus besucht seine Heimatstadt. In Nazareth nimmt er am Gottesdienst in der Synagoge teil. Man gibt ihm das Buch Jesaja, damit er daraus vorlese.

Er liest den unmittelbar vorausgehenden Text und den Anfang unseres Verses: „…zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn.“ An dieser Stelle bricht Jesus mitten im Satz ab.

Könnte ein Missverständnis die Erklärung für Jesu rätselhaftes Vorlesen sein? Dieses Bibelwort war zur Zeit Jesu ein viel zitiertes Prophetenwort. Auch in Qumran wurde dieser Vers aus dem Jesajabuch auf den Messias gedeutet. Viele hofften, dass der Messias kommt und Rache nimmt, die verhassten Römer aus dem Land jagt.

Der erhoffte Retter sollte, wie einst die Makkabäer, Israel befreien. Doch Jesus lässt die Rache weg. Er kommt ohne Gewalt. Er trägt vielmehr an Karfreitag selbst meine Schuld und schenkt mir Versöhnung. Er öffnet mir die Augen für einen barmherzigen Gott.

Jesus vermittelt mir ein anderes Bild von Gott. Gott gleicht dem Arzt, der die Kranken heilt. Er vergibt die Schuld und heilt auch den seelischen Schaden.

Jesus vergleicht seinen himmlischen Vater mit einer Frau, die ein Geldstück verliert. Sie kehrt ihr Haus, und fahndet, bis sie das Verlorene findet.

Genauso sucht Gott uns und will unser Herz gewinnen. Denn der Fixpunkt bleibt: „Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte.“ Diese Gewissheit will auch Sie trösten.

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