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/ Wort zum Tag

Ehrlich vor Gott

Günter-Helmrich Lotz über Psalm 71,23.

Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast, sollen fröhlich sein und dir lobsingen.

Psalm 71,23

Ukrainische Soldaten, die in russischer Gefangenschaft schlecht behandelt wurden, hatten um eine Bibel gebeten. Als sie eine bekamen, hat sie etwas besonders gestärkt. Die Gebete aus dem Buch der Psalmen.

Das Losungswort der Herrnhuter Brüdergemeine für den heutigen Tag stammt auch aus den Psalmen:

„Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast, sollen fröhlich sein und dir lobsingen.“

Können wir Gott immer loben? Oder bleibt einem manchmal das Halleluja eher im Halse stecken? Sollen wir Gott immer loben?

Hier betet jemand, dessen Seele erlöst ist, weil er um Gott als seinen Retter weiß. Aber er sagt nicht, dass er jetzt fröhlich ist und Gott lobt. Vielmehr will er sagen, dass er Gott loben wird. Denn ihm ist gar nicht zum Loben. Unmittelbar zuvor lässt er uns wissen, was er erlebt hat: „Du bist es (Gott), der mich viel Not und Unglück hat sehen lassen“. Das ist seine Situation. Und darum kann er nicht einfach Halleluja singen. Aber er ist ehrlich und spricht aus, wie es ihm wirklich geht.

Die Gebete in dem Buch der Psalmen bestehen zu einem großen Teil aus Klagen. Und Gott hört sie sich an. Das ist keine Zumutung für ihn. Und gerade darin konnten sich die Kriegsgefangenen wiederfinden. Aber nicht nur das.

Der Beter des Psalms lebt in einer gesunden Spannung. Er beklagt nicht nur sein Schicksal, sondern schaut auch nach vorn mit den Worten: „Du wirst mich auch neu beleben und mich wieder aus den Tiefen der Erde heraufbringen.“

Es bleibt nicht so wie es ist. Gott wird ihn nicht im Stich lassen, sondern ihm heraushelfen. Wer mit den Psalmen Gott seine Klagen bringt, versinkt nicht in einem Sumpf von Selbstmitleid. Vielmehr richtet sich der Blick nach oben und nach vorn. Die Zuversicht, dass Gott eingreifen wird und die Not wenden, schafft die entscheidende Wende. Ja, jetzt ist nicht die Zeit zum Jubilieren. Aber die Zeit zum Jubilieren wird wieder kommen, weil Gott mit seiner Hilfe kommen wird. Und dann werden Herz und Mund fröhlich sein und Gott lobsingen. Diese Aussicht macht es möglich, Zeiten der Not auszuhalten.

So haben es die ukrainischen Kriegsgefangen erfahren, und sie sind nicht die einzigen. Irgendwann kann es jedem so ergehen.

Der Beter im Psalm 71 formuliert das so: „Meine Lippen und meine Seele, die du erlöst hast, sollen fröhlich sein und dir lobsingen.“

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Kommentare (4)

Regina /

Es gefällt mir, was Sie uns sagen und nährt mich.
Herzlichen Dank, Herr Lotz!

Hans-Jürgen W. /

Wir sollen auch fröhlich sein wollen, auch wenn es uns nicht danach zumute ist.

Karlheinz F. /

Danke, das war sehr ermutigend. Und es war als ob es für mich gedacht war.

Sabine /

Guten Morgen Herr Lotz, und vielen Dank für Ihre mir mutmachenden Worte. Sie kommen heute genau richtig für mich.