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Das entscheidende Narrativ

Dietmar Kamlah über Galater 1,11.

Paulus schreibt: Ich tue euch kund, Brüder und Schwestern, dass das Evangelium, das von mir gepredigt ist, nicht von menschlicher Art ist.

Galater 1,11

Eines der ganz großen Modewörter der letzten Jahre ist das Fremdwort „Narrativ“. Ein Narrativ ist eine Erzählung mit einem besonderen Charakter. Sie zielt auf Glauben ab, will Sinn stiften und vor allem Meinung bilden. Ob die Erzählung auf wahren Begebenheiten und auf Fakten beruht oder ob sie reine Fiktion ist, ist nicht so wesentlich. Wesentlich ist die Wirkung, die das Narrativ in der Gruppe von Menschen hat, die ihm Glauben schenken.

Ein Narrativ kann also im Gewand einer Tatsachenerzählung erscheinen, in Wahrheit aber eine erfundene Geschichte, ein Märchen oder eine reine Lügenerzählung sein. Wenn Menschen einem Narrativ Glauben schenken, wenn sie als schlüssige und stimmige Deutung bestimmter Ereignisse und Erlebnisse betrachtet wird, hat sie ihren Sinn erfüllt.

Manchmal stehen Narrative in einem deutlichen Gegensatz zueinander. So macht es einen gewaltigen Unterschied, ob ich mich vertrauensvoll der biblischen Schöpfungserzählung zuwende oder aber den Narrativen von der Selbstorganisation der Materie und der Evolutionstheorie Vertrauen schenke Das Narrativ von der Gottebenbildlichkeit des Menschen wird das Leben in einer vollkommen anderen Weise bestimmen als das Narrativ vom kommenden technisch-perfektionierten Übermenschen, der einmal nur noch mitleidig und bedauernd auf die sterbliche Spezies Mensch zurückschauen wird, die wir heute darstellen.

Paulus steht im Dienst des Evangeliums, der frohen Botschaft. Zu deren Verkündigung wurde er von Jesus selbst in einer umwerfenden Vision vor Damaskus berufen und gesandt. Das Evangelium ist in gewissem Sinne auch ein Narrativ. „Ich habe euch Jesus Christus in meiner Predigt so bildhaft vor Augen gemalt, als wenn er unter euch gekreuzigt worden wäre!“, so beschreibt Paulus seine Verkündigung gegenüber den Christen in Galatien. Aber Paulus hat nicht nur eindrücklich geschildert, was mit Jesus vor den Toren Jerusalems geschehen ist, sondern hat dieses Geschehen auch mit einer ganz bestimmten Deutung weitergegeben. „Und genau diese Deutung und Interpretation“, so sagt Paulus, „ist nicht die Ausgeburt menschlicher Logik, kein Produkt menschlicher Philosophie oder Ideologie, sie ist auch nicht die Übernahme vorgegebener theologischer Traditionen. Dieses Narrativ wurzelt in einer Offenbarung Gottes, die Paulus persönlich zuteilgeworden ist.“ 

Wörtlich schreibt er den Christen: „Ich tue euch kund, Brüder und Schwestern, dass das Evangelium, das von mir gepredigt ist, nicht von menschlicher Art ist.“

Kein anderes Narrativ verdient es, Evangelium genannt zu werden. Eine wie auch immer geartete Verkündigung menschlicher Art, eine Predigt, in der in verhängnisvoller Weise die Botschaft von Jesus vermischt wird mit dem Vertrauen auf das, was der Mensch an heilsentscheidenden Dingen selber tut, ist kein Evangelium. Es ist ein menschliches Narrativ, das auch Glauben verlangt, aber letztlich zum Irrglauben führt. Der rettende Glaube, den das göttliche Narrativ des Evangeliums allein zu wecken vermag, wird dadurch verhindert. 

Nur dieses Narrativ, das davon erzählt, dass Christus uns vom Fluch des Gesetzes erlöst hat, als er selber am Kreuz zum Fluch wurde für uns, macht Schluss mit allem die Gnade leugnenden Vertrauen auf die eigenen Werke.

Paulus steht im Dienst des göttlichen Narrativs. Er nennt es „das Wort vom Kreuz“. Bis ans Ende der Zeit bleibt dieses Wort vom Kreuz, die Gotteskraft, die jeden, der daran glaubt, selig macht.

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Kommentare (1)

K. F. /

Vielleicht sollte Herr Kamlah doch einmal Theologie studieren oder wenigstens Exegese belegen. Theologie und Wissenschaft widersprechen sich nicht unbedingt.
Ich weiß um / „glaube“ an eine mehr