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/ Wort zum Tag

Aus der Mode gekommen?

Manfred Schultzki über Römer 5,2.

Durch Jesus Christus haben wir den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen.

Römer 5,2

Gnade - ein ungeliebtes Wort. Und ein Wort, das aus der Mode gekommen ist. Kaum jemand will Gnade, weil jeder meint, einen Rechtsanspruch zu haben. Darum ist mir das Wort Gnade, Gnadenerweis nur im Zusammenhang mit dem Bundespräsidialamt bewusst. Am Ende eines jeden Jahres erlässt der Bundespräsident etlichen Gefangenen, die sich durch gute Führung ausgezeichnet haben, ihre Restschuld. Das sind meist nur wenige Tage oder Wochen, aber sie dürfen - gerade vor Weihnachten - wieder zurück zu ihren Familien. Es ist ein - fast - unverdienter Gnadenerweis. Fast, denn gute Führung gehört dazu. Wer sich nicht durch gute Führung ausgezeichnet hat, muss weiter einsitzen.

Für Paulus aber ist Gnade viel mehr, denn "Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren" (Römer 5,8). Gnade meint also: Gott hebt die Trennung auf. Er tut das trotz unserer Widerspenstigkeit. Und damit bin ich an einem Juckepunkt unserer Lebenswirklichkeit. So viel Trennung und Spaltung prägen unsere Gegenwart. Mir scheint, Spaltpilze sind in unserer Zeit noch wirksamer als Viren. Viele meinen, Bedingungen stellen zu müssen. Es ist üblich geworden, den anderen klein zu machen. Aber kaum jemand ist bereit, sich selbst klein zu machen, demütig zu sein. "Das ist doch mein gutes Recht," so die häufig gehörte Meinung. Hinzu kommt: Unserem Anspruchsdenken entspricht eine Sprache, die zuspitzt, weil sie damit besser stechen kann.

Gott dagegen macht es anders. Seine Sprache ist die der Liebe. Er will nicht stechen, sondern verbinden. Er macht sich so klein, dass er in eine Krippe passt. Und er macht uns so groß, dass wir mit ihm auf Augenhöhe sein können. Nicht, weil wir aus uns heraus so sind. Aber er sieht uns so an. So wie Großeltern ihre Enkel auf den Arm nehmen und sagen: Jetzt bist du so groß wie ich. Ach, die Kinder wissen den Unterschied selbst. Sie wissen, dass sie noch ein ganzes Stück wachsen müssen. Aber sie sehen auch: Wir sind auf Augenhöhe. Und sie freuen sich darüber.

Gott gewährt uns diese Augenhöhe. Und er überwindet die Trennung zwischen ihm und uns von sich aus. Nicht nur einmal, sondern immer wieder. denn wir sind von Natur aus eher geneigt, zu ihm auf Distanz zu gehen. Gott aber begegnet uns als der Gnädige, als der Geduldige.

Darum wünsche ich mir, dass Menschen nicht gleich allergisch auf das Wort Gnade reagieren und sich klein gemacht fühlen, sondern vielmehr erkennen: Gott will uns groß machen. Er will uns nicht erniedrigen, sondern er erniedrigte sich selbst.

Heute ist der Montag der Karwoche. In den Wochen der Passionszeit machen Christen sich das Leiden und Sterben von Jesus bewusst. Am Freitag werden wir an seinen Todestag denken. Niedriger und schwächer geht es nicht. Jesus hat sich für diesen Weg entschieden, damit wir erhöht werden und leben. Das ist die Gnade, die Paulus meint. Wer sich dazu einladen lässt, der kann sich freuen - auch in diesen Tagen.

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