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/ Wort zum Tag

Auf den Kopf gestellt

Klaus Jürgen Diehl über 1. Korinther 1,28.

Was gering ist vor der Welt und was verachtet ist, das hat Gott erwählt.

1. Korinther 1,28

Immer wieder droht das Zusammenleben der Menschen in einen Konkurrenzkampf zu entarten, in dem es darauf ankommt, andere zu überflügeln und hinter sich zu lassen. Wer es dann an die Spitze geschafft hat - beruflich, gesellschaftlich, materiell - dem ist der Neid oder die Bewunderung der anderen sicher. Dass dabei Solidarität mit den Schwächeren, Rücksichtnahme gegenüber Benachteiligten oder Wertschätzung der Abgehängten auf der Strecke bleiben, scheint zu den unvermeidlichen Begleitschäden unseres menschlichen Miteinanders zu gehören. Es gibt eben die Verlierer, die gegenüber den Fitten keine Chance haben. Schon Charles Darwin prognostizierte das „survival of the fittest“ - d.h. das Überleben der Stärksten, die sich in der Entwicklungsgeschichte der Menschen gegenüber den Schwächeren durchsetzen.

Es ist aber offensichtlich, dass das besondere Augenmerk Gottes nicht den Starken und Erfolgreichen gilt, sondern denen, die arm sind, in ihren Rechten unterdrückt und von der Gesellschaft ausgegrenzt werden. So stellt sich Jesus immer wieder eindeutig an die Seite der Armen, Schwachen, Kranken und von der Gesellschaft Ausgegrenzten. Er prangert das Wohlleben der Pharisäer und Schriftgelehrten an, die sich etwa auf Kosten der Witwen bereichern (Markus 12,40).

Für Jesus ist es daher ausgemacht, dass im vollendeten Reich Gottes die ungerechten Verhältnisse dieser Welt umgekehrt werden, indem die Letzten zu den Ersten und die Ersten zu Letzten werden (Matthäus 20,16).

Ein anschauliches Beispiel dafür gibt er in dem Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus (Lukas 16,19-31). Während der Reiche „alle Tage herrlich und in Freuden lebt“, muss sich der arme Lazarus, von Geschwüren geplagt, mit den Tischabfällen aus dem Haus des Reichen begnügen und so ein menschenunwürdiges Dasein fristen. Doch nach dem Tode erleben beide eine totale Umkehr ihrer irdischen Verhältnisse: Während der Reiche Höllenqualen erdulden muss, findet sich Lazarus in „Abrahams Schoß“ wieder – ein Bild für die besondere Gottesnähe – und kann jetzt sein Leben ohne jedes Leid genießen. Aus dem Letzten wird ein Erster - und aus dem Ersten ein Letzter.

Daher stellt der Apostel Paulus mit Recht im 1. Korintherbrief fest: „Was gering ist vor der Welt und was verachtet ist, das hat Gott erwählt“.

Doch bleibt die Frage: Was geschieht eigentlich mit den unzähligen Opfern von Ausbeutung und Unterdrückung, von Krieg, Terror und Hunger, die in ihrem Leben nie die Chance auf ein menschenwürdiges Leben bekamen? So sehr gerade wir Christen dazu herausgefordert sind, uns an ihre Seite zu stellen und sie tatkräftig zu unterstützen, erreicht viele diese Hilfe leider nicht. Sind und bleiben diese Geringen und Verachteten für immer die Verlierer?

Wäre der Tod der endgültige Schlussstrich unter das Leben der Menschen, dann müsste man schier verzweifeln angesichts der Tatsache, dass Millionen und Abermillionen von Menschen als geliebte Geschöpfe Gottes für immer auf unserer Erde um ein erfülltes Leben betrogen wurden. Das kann nicht im Sinne Gottes sein. Darum eröffnet Jesus mit der Geschichte von Lazarus eine hoffnungsvolle Perspektive auch für den Lazarus in Kalkutta, der wie viele andere den heutigen Tag infolge von Hunger und Entkräftung nicht überleben wird. Er hatte in seinem Leben nie die Chance, das Evangelium zu hören und Jesus persönlich kennenzulernen. Und doch ist auch für ihn ein Platz in „Abrahams Schoß“ reserviert. Das ist kein billiger Jenseitstrost, sondern die lebendige Hoffnung auf eine ausgleichende Gerechtigkeit, für die Gott selbst am Ende der Tage sorgen wird.

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Kommentare (2)

Joachim S. /

Wenn auch für den Armen ein Platz in Abrahams Schoß reserviert ist, dann gilt das im umgekehrten Sinn auch für den Reichen. Das heißt: Reiche, die nie das Evangelium gehört haben, kommen in die mehr

Wolfgang L. /

Das entspricht durchaus meiner Überzeugung, Danke Hr. Diehl.! Der 'Jenseitstrost' sollte aber nicht zur billigen Ausrede für engagierte Bürgeer und Gemeinden werden,, geschweige denn für die mehr