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/ Bibel heute

Jitros Besuch bei Mose (2)

Christian Oelke über 2. Mose 18,13-27.

Am andern Morgen setzte sich Mose, um dem Volk Recht zu sprechen. Und das Volk stand um Mose her vom Morgen bis zum Abend. Als aber sein Schwiegervater alles sah, was er mit dem Volk tat, sprach er: Was tust du denn mit dem Volk? Warum musst du ganz allein dasitzen, und alles Volk steht um dich her vom Morgen bis zum Abend? Mose antwortete seinem Schwiegervater: Das Volk kommt zu mir, um Gott zu befragen.[...]

2. Mose 18,13–27

 

Selbst großartige Menschen kommen an ihre Grenzen, wer hätte das gedacht. Wörter wie Überbelastung und Burn-out sind seit einigen Jahren niemandem mehr fremd, besonders angesichts der heutigen Informationsflut auf vielen Kanälen. Aber dass Mose auch schon auf dem direkten Weg war, überbelastet zu sein, zeigt, dass es selbst die besten ereilen kann. Sogar selbst die, die ihr Leben in einer engen Beziehung zu ihrem Schöpfer gestalten. Bei Mose laufen viele Fäden zusammen. Wie gut, dass er einen Schwiegervater hat, der es gut mit ihm meint und einen Blick für das Wesentliche hat. Sonst wäre es möglicherweise nicht bis zu den 10 Geboten gekommen, die sich im Erzählstrang des 2. Buches Mose schon auf der nächsten Seite finden. Fünf Aspekte aus dem Text möchte ich hervorheben, wie auch ich heute von Mose und seinem Ausweg aus der Belastung lernen kann.

Der erste Aspekt

ist, sich etwas sagen zu lassen. So selbstverständlich das klingt, so schwierig ist es auch. Das erfordert nämlich Demut, es erfordert die Bereitschaft, zuzuhören und zu verstehen. Von meinem Gegenüber erfordert es auch einiges. Nicht einfach jeder hat das Recht, anderen ins Leben zu sprechen. Im Text ist es nicht die sprichwörtliche Schwiegermutter, die Ratschläge abfeuert wie Silvesterraketen. Es geht um wichtige Eigenschaften, die nötig sind. Blickt die Person etwa mit Liebe auf mein Leben? Ist sie an meinem Wohl interessiert? Woran merke ich das, ob eine Person so auf mich schaut? Jitro, Moses Schwiegervater zeigt sein Interesse, indem er Mose fragt. „Was machst du da?“ Die Frage ist so einfach wie genial, denn die Frage ist offen. Sie regt Mose zur Selbstreflexion an, der Erkenntnisprozess beginnt bei ihm selbst. Dann lässt er Mose ausführlich antworten, bevor er sich dazu hinreißen lässt, einen Rat zu geben. Zudem ist Jitro selber ein erfahrener Leiter. Noch bevor Mose das Volk Israel aus Ägypten führt, arbeitet Jitro als Priester in Midian.

Der zweite Aspekt

lautet: „Großartige Aufgaben werden vielen anvertraut.“ Stellen Sie sich vor, Sie sollten alleine einen Jumbo-Jet bauen. „Ich nicht, aber andere können das“, denken Sie vielleicht. Aber so ein großes Wunderwerk der Ingenieurskunst kann keiner alleine bauen. Dafür sind Detailkenntnisse in so vielen Bereichen nötig, dass es unmöglich wäre, so viel Fachwissen aufzubauen. Stattdessen müssen viele Menschen ihr Teil beitragen, so auch bei der Aufgabe, das Volk Israel zu führen. Jitro gibt einen wichtigen Hinweis für die Qualitäten, die die Menschen als Leiter brauchen – gerecht, sachverständig, unbestechlich sollen sie sein. Qualitäten, die auch im Neuen Testament wiederholt werden, wenn Paulus Timotheus und Titus anweist, Gemeinden zu bauen und sinnvolle Strukturen zu etablieren und diese dann mit den geeigneten Personen zu besetzen. Gott gibt mir Gaben, die ich entwickeln will, aber dann auch zum Wohl für alle einsetzen möchte. Das gilt für das Volk Israel, für die christliche Gemeinde, aber so ist auch die ganze Schöpfung gestaltet. Zum Beispiel besteht eine Familie aus mehr als einer Person. Im Idealfall gibt es nicht nur Eltern und Geschwister, sondern auch Onkel, Tanten, Großeltern und auch Freunde, die zum Teil der Familie werden können. Wohl denen, die sich auf eine liebende und funktionierende Familie verlassen können. Und jeder ist berufen, seinen Ort in der Familie, der Gemeinde und auch in der Gesellschaft einzunehmen. Mose nimmt aus diesem Grund auf Jitros Rat hin die Menschen in die Verantwortung. Das ist auch in der Pädagogik und in der Organisationsentwicklung angekommen, wo man immer stärker bei komplexen Unterfangen auf Partizipation setzt, um zu entdecken, was die einzelnen Mitglieder einzubringen haben.

Der dritte Aspekt

lautet, „Wo kein Richter, da kein Henker, aber wo ein Richter, da ist auch ein Gesetz.“ Das heißt, es gibt eine gemeinsame Handlungsgrundlage. Mose richtet, weil er Gottes Gesetz kennt. Das ist die verbindliche Grundlage für Rechte und Pflichten. Auch in Deutschland gibt es Gesetze, aufgrund derer wir Rechte in Anspruch nehmen können, die Freiheiten garantieren sollen und vermeintlich einfache Dinge, wie z. B. den Straßenverkehr, regeln. Ohne Gesetze würde sehr viel mehr Unklarheit bestehen, und Menschen, die sich mit den Gesetzen gut auskennen, werden dafür oft gut bezahlt. Ich sehe es so: Das Gesetz für uns Christen heißt Evangelium: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz des Christus erfüllen“, schreibt Paulus im Galaterbrief. Jesus Christus trägt die Last unserer Sünde, unserer Trennung von Gott. Deswegen haben wir Gottes Versprechen, dass wir in Freundschaft für alle Ewigkeit in Gottes Gegenwart leben werden, wenn wir uns Jesus anvertrauen. Das ist das Gesetz, auf das ich mich verlasse. Und dieses Gesetz gut zu kennen, hilft mir bei den komplexen Aufgaben, die mir im Leben begegnen, ob auf der Arbeit, in der Familie oder bei der Begegnung mit völlig Fremden. Aus dem Versprechen Gottes wachsen Handlungsperspektiven für den Umgang mit den Menschen. Eine wichtige bete ich regelmäßig im Vater unser: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern - ein göttliches Gesetz, an das Gott sich selber bindet.

Der vierte Aspekt

ist, dass Mose eine besondere Aufgabe hat. Jitro weist ihn darauf hin, dass er sich darauf konzentrieren soll, den Menschen Gottes Wort zu bringen, es auszulegen und mitzuteilen. Es ist gut, meine eigene Aufgabe zu kennen. Und wenn ich weiß, was es ist, mich auch darauf zu konzentrieren. Bei Mose war diese Aufgabe übrigens besonders wichtig und einzigartig. Als Gott dem Volk auf dem Berg Sinai erscheint, heißt es, dass die anderen Menschen Gottes Stimme gar nicht ertragen konnten.

Der fünfte, abschließende Aspekt,

den ich mitnehmen möchte, ist folgender: Die Begleitung von Jitro führt Mose in die Selbstständigkeit. Jitro geht, nachdem Mose sich entwickelt hat. Jitro hat seine Aufgabe erfüllt. Interessanterweise geht Jesus auch von seinen Jüngern weg, entlässt sie in ihre Aufgabe und verheißt ihnen dafür den Heiligen Geist. Im Epheserbrief im vierten Kapitel sagt Paulus warum: Wir sollen im Glauben reif werden und in die Fülle kommen, die Christus für uns vorgesehen hat. Es fällt mir manchmal leichter, sich nur auf andere zu berufen, das zu tun, was andere von mir erwarten oder mir zugestehen. Aber Gott will meine Reife, dass ich lerne zu lieben wie Jesus, zu vergeben wie Jesus und auf Gott zu vertrauen wie Jesus.

Davon, wie Jitro seinen Schwiegersohn Mose begleitet, lerne ich auf andere zu hören, mit anderen zusammenzuarbeiten und mich einzubringen; ich lerne, auf Gottes Gesetz, auf seine Verheißung zu bauen, und mich zu entwickeln, um die volle Reife in Christus zu erlangen.

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