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Gegen die Schriftgelehrten und Pharisäer (1)

Achim Brückel über Matthäus 23,1-22.

Vorschaubild: Matthäus 23

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Matthäus 23

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Jesus geht mit der geistlichen Führungsschicht seiner Zeit hart ins Gericht. Er spart nicht an Kritik, findet deutliche Worte gegenüber „denen da oben“, deckt deren Missstände schonungslos auf. Und das Ganze öffentlich und nicht hinter vorgehaltener Hand. Mit Titulierungen wie „ihr Heuchler“, „ihr Blinde“, „ihr Narren“ ist ihm das Lob des kleinen Mannes sicher. Die Welt der Volksseele ist jetzt wieder in Ordnung, die eigene Gefühlswelt zufrieden.

Damit war dieser Text in der Vergangenheit für mich dann fertig bedacht. Doch dieses Mal ist das anders. Trifft die Kritik Jesu gegenüber „denen da oben“, nicht in abgespeckter Form auch auf das „Fußvolk“, also auf mich, zu? Worauf kommt es Jesus an? Was sind aus seiner Sicht die Kennzeichen eines gottwohlgefälligen Lebens – bei den geistlichen Würdenträgern wie dem „einfachen Gottesmann“?

Da war es vorbei mit dem schadenfrohen Händereiben, dass die da oben nun auch mal ihr Fett abbekommen haben – zumindest bei mir.

Die Themen, die Jesus in seiner Kritik anspricht, haben es in sich: mangelnde Einheit von Reden und Handeln, Imagepflege und Hochmut, das Streben nach Anerkennung, die Sucht, Erster sein zu wollen und sich von der Masse abzuheben, sich Aufspielen wie ein kleinkarierter Erbsenzähler, weil man die entsprechende Position innehat u.a.m.

Und nein, ich habe den Eindruck, ich bin da keinen Deut anders oder besser als die da oben. Da maße ich mir z.B. wie die Schriftgelehrten und Pharisäer an, beurteilen zu können, wer richtig glaubt, wer Christ ist und warum und wer nicht, welche christliche Gemeinschaft die einzig richtige und seligmachende ist und gebe meine Sichtweise gerne zum Besten. – Und nein, es wäre falsch zu behaupten, dass ich immer selbstlos und demütig meinen Dienst in der Gemeinde verrichte und es mir gleichgültig wäre, ob dieser Dienst gesehen wird oder nicht, ob ich dafür gelobt werde oder nicht. Ich kann auch nicht bestreiten, dass mich die publikumswirksamen Dienste mehr interessieren und ich scharf auf sie bin als auf die Dienste im stillen Kämmerlein oder der Abgeschiedenheit des Gemeindealltags.

Je mehr ich die Worte Jesu bedenke, desto mehr merke ich, wie seine Kritik auch mich trifft, wie ich keineswegs besser bin als die da oben, die er zuerst anspricht und im Blick hat. Und wie war das nochmal mit dem Splitter und dem Balken im Auge, von dem Jesus in der Bergpredigt spricht?

Also zähle ich nun zweifelsfrei mit zu dem illustren, aber keineswegs elitären Kreis der Empfänger der Kritik Jesu. Da hatte ich mir den Bibeltext bzgl. seines Adressaten doch anders vorgestellt. Jetzt bin ich mittendrin statt nur dabei. Oh Mann, dumm gelaufen! Ich hatte vergessen, dass, wenn ich mit zwei Fingern auf einen anderen zeige, drei Finger auf mich gerichtet sind. Und während ich noch versuche, aus diesem Dilemma rauzukommen, einen Weg zu finden, selbst wieder geistlichen Boden unter die Füße zu kriegen, meldet sich ganz tief in mir eine kleine, leise Stimme, deren Botschaft mich verwirrt. Erst dachte ich, ich höre wohl nicht richtig, das kann doch nicht wahr sein. Aber je länger ich auf sie höre und sie bedenke, desto mehr kann ich ihr zustimmen, mich darüber freuen und ihr zustimmen. Wie sie lautet? „Danke! Danke, Jesus!“ Redet hier etwa Gott selbst zu mir?

Den Eindruck werde ich nicht los. Denn warum kann ich auf einmal Jesu berechtigte Kritik annehmen und Gutes in ihr für mein Leben erkennen? Weil ich merke, dass seine Kritik mich befreit und entlastet. Sie eröffnet mir neue Möglichkeiten im Miteinander, lässt mich verstehen, zu welchem Leben er mich einlädt. Sobald ich das Negative, die Kritik Jesu, ins Gegenteil, das Positive verändere, merke ich, wie viel Last und Druck von mir abfällt. Das fühlt sich an wie ein geistliches Energiespar- und Entlastungsprogramm. Denn was habe ich bisher nicht alles an Zeit, Kraft und Mühe auf die Beine gestellt, um das zu sein oder zu bekommen, was Jesus hier kritisiert? Wenn ich da nur an die Imagepflege denke, das Streben nach Anerkennung, die Sucht, Erster sein zu wollen und mich von der Masse abheben zu wollen. Was habe ich da nicht alles für getan, wen habe ich dabei nicht rücksichtslos überrollt und die guten Ordnungen Gottes für das Miteinander schlichtweg außer Kraft gesetzt? Letztlich: wie viel Schuld habe ich auf diesem Weg angesammelt?

Nein, ich bleibe dabei. Danke, Jesus! Seine Kritik macht mich dankbar, weil sie mir einen Kräfte schonenderen Weg zeigt, der zudem sein Wohlgefallen findet, weil er sich an seinen Wertmaßstäben orientiert. Und das ist mir am Ende am wichtigsten. Darauf kommt es mir an. Also kehre ich die Kritik Jesu in ihrer negativen Aussage in den positiven Wert um. Und das fällt mir gar nicht so schwer, wie ich dachte. Ich stelle bedauerlicher Weise nämlich fest, dass meine bisherigen Bestrebungen keineswegs so erfolgreich waren, wie ich das erwartet oder gerne gesehen hätte. Und selbst wenn ich mal mein Ziel erreicht hatte, fühlte es sich nicht so gut an, wie ich das erwartet oder erhofft habe. So macht mir die Kritik Jesu die Kehrtwende wirklich leicht. Ich erkenne unschwer darin seine guten Absichten mit meinem Leben. Hat er mich nicht genau dazu eingeladen, mich zu entlasten? Großartig bringt die GNB diese Einladung Jesu aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 11, zum Ausdruck: „Ihr plagt euch mit den Geboten, die die Gesetzeslehrer euch auferlegt haben. Kommt alle zu mir; ich will euch die Last abnehmen! Ich quäle euch nicht und sehe auf niemand herab. Stellt euch unter meine Leitung und lernt bei mir; dann findet euer Leben Erfüllung. Was ich anordne, ist gut für euch, und was ich euch zu tragen gebe, ist keine Last.“

Ja! Ja genau, das will ich, das suche ich! Ja, ich will die mangelnde Einheit von Reden und Handeln überwinden und wenn ich dafür ein bisschen weniger dick abbeißen muss, gerne. Authentisch sein, was für ein lohnendes Ziel in meinen Augen! Loslassen, was ich alles an Imagepflege betreibe und an Hochmut an den Tag lege! Macht mich das in Jesu Augen auch nur einen Deut liebenswerter, wichtiger? - Mein Streben nach Anerkennung, die Sucht, Erster sein zu wollen und sich von der Masse abzuheben, macht sie mich auch nur an einem Punkt in Jesu Augen bedeutsamer? Wohl kaum, wenn Jesus in dem Zusammenhang seinen Jüngern ein Kind mit seinem Verhalten als Vorbild wahrer Größe vor Augen stellt (Lukas 9,46ff). – So bleibt es bei einem großen Danke an Jesus für seine einen neuen Weg weisende Kritik – zum Segen für mich und andere und zur Ehre seines Namens

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Kommentare (1)

Silke /

Lieber Pastor Bückel,
Danke für diese gute Auslegung.
Das genauere Hinschauen hilft.
Gottes Segen für Ihren Dienst