Navigation überspringen

/ Bibel heute

Die Heilung eines Aussätzigen

Michael Fischer über Markus 1,40–45.

Und es kam zu ihm ein Aussätziger, der bat ihn, kniete nieder und sprach zu ihm: Willst du, so kannst du mich reinigen. Und es jammerte ihn, und er streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach zu ihm: Ich will’s tun; sei rein! Und alsbald wich der Aussatz von ihm, und er wurde rein.[...]

Markus 1,40–45

Diese Geschichte hat zwei Teile. Teil eins beschreibt die Heilung eines Aussätzigen. In Teil zwei geht es um das, was danach passierte. Teil zwei ist etwas länger als Teil eins. Und wichtiger.

Zuerst Teil 1:

Ein Aussätziger kommt zu Jesus. Er fällt vor ihm auf die Knie und möchte von seinem Aussatz gereinigt werden. „Herr, wenn du willst, dann kannst du mich reinigen.“ Hier kommt ein Mensch zu Jesus und weiß: Jesus ist seine einzige Hoffnung, den Aussatz loszuwerden.

Aussatz war keine Infektionskrankheit. Nach den Beschreibungen war er eher vergleichbar mit so etwas wie Schuppenflechte oder Neurodermitis. Für den Betroffenen konnte das sehr unangenehm sein. Aber nicht lebensbedrohlich. Auch für das soziale Leben hatten die jüdischen Gesetzeslehrer Regelungen gefunden. Es war kompliziert, aber machbar. Sogar Gottesdienste in der Synagoge waren unter Auflagen möglich. Und in der Provinz wurde eh manches nicht so heiß gegessen, wie es in Jerusalem gekocht wurde. Die einzige wirklich schwerwiegende Einschränkung betraf den Besuch des Tempels. Der war nach wie vor verboten. Damit entfiel im Bedarfsfall die Möglichkeit, ein Opfer zu bringen. Vor allem waren Aussätzige von den großen Pilgerfesten in Jerusalem ausgeschlossen. Die fanden mehrfach im Jahr statt. Beispielsweise zum Passah, zu Pfingsten oder zum Laubhüttenfest. Diese Feste zogen gewaltige Menschenmengen an. Das Laubhüttenfest beispielsweise war ein großer Hoffnungsspender. Es war aber auch eine Mordsgaudi.

In einer Gesellschaft, die viel stärker auf gemeinsame religiöse Feste ausgerichtet war als unsere, ist es sehr bitter, wenn man davon ausgeschlossen ist. Der Grund für diese Regelungen waren Bestimmungen im Gesetz des Mose. Die jüdischen Lehrer haben sich zwar viel Mühe gegeben, das Leben der Aussätzigen zu erleichtern, aber diese letzte Grenze haben sie nicht überschritten. Der Tempel blieb für Aussätzige verschlossen.

Jedenfalls kam der Mann zu Jesus und bat um Reinigung. „Herr, wenn du willst…“ Jesus streckte die Hand aus. Er berührte ihn und sagte: „Ich will. Sei rein.“ Sofort verschwand der Aussatz. Der Mann war rein. So weit, so gut.

Teil zwei der Geschichte:

Sofort nach der Reinigung wurde Jesus sehr bestimmt. Er schickte den Mann fort und sagte: „Hüte dich, irgendjemandem davon zu erzählen. Geh stattdessen in den Tempel. Stell dich dort dem Priester vor. Bitte ihn um eine Begutachtung. Dann bring das von Mose vorgeschriebene Opfer.“ Jesus sagte auch warum: „Ihnen zum Zeugnis.“ Ganz offensichtlich war es Jesus wichtig, dass die Priesterschaft über dieses Wunder informiert wurde. Dadurch, dass Jesus den Geheilten selbst hinschickte, konnten sie sich mit eigenen Augen ein Bild von dem Ereignis machen.

Jesus war mehr als deutlich. Möglicherweise, weil er wusste, was nun kommen würde. Wir erfahren nicht, ob der Mann tatsächlich in den Tempel ging oder nicht. Ich vermute eher nicht. Denn er hat auch ansonsten das genaue Gegenteil von dem getan, was Jesus ihm gesagt hatte. Er konnte die Klappe nicht halten. Er rührte die Werbetrommel. Mit fatalen Folgen. Was folgte, war wie bei einem Popstar in unseren Tagen. Überall, wo Jesus auftauchte, waren so viele Menschen zusammengelaufen, dass er seine Arbeit nicht mehr machen konnte. Es waren einfach zu viele.

Ich vermute stark, dass der Mann dabei keine bösen Absichten verfolgt hat. Wahrscheinlich ist seine Begeisterung für Jesus mit ihm durchgegangen. Vielleicht wollte er den Leuten den guten Tipp geben, woher sie Hilfe bekommen könnten.

Gehorsam ist wichtiger als Werbung

Direkt vor diesem Bibelabschnitt hat Jesus zu seinen Leuten gesagt: „Kommt, lasst uns woanders hingehen. Wir gehen in die nächsten Städte. Denn ich bin dazu gekommen, um dort zu predigen.“ Das Kerngeschäft von Jesus war: „zu predigen“. Nicht zu heilen. Dieses Kerngeschäft funktionierte nicht mehr. Jesus musste in die Wildnis ausweichen. Und trotzdem rannten ihm die Leute die Bude ein. Der Mann hätte Jesus mehr geholfen, wenn er ihm gehorcht hätte.

Genau das ist der Punkt: Gehorsam ist wichtiger als Werbung. Mir begegnen viele Christen, die meinen, das Wichtigste wäre, anderen begeistert von Jesus zu erzählen. Sie sind der Meinung, dass sie genau wissen, was Jesus will. Sie denken, dass Jesus dasselbe will wie sie. Damit spannen sie Jesus vor ihren Karren, um das umzusetzen, was sie für gut und notwendig halten. Sie stellen sich überhaupt nicht die Frage, ob ihre Vorstellung von Jesus Christus richtig ist. Dabei gibt es unter Christen so gegensätzliche Positionen, die unmöglich unter einen Hut zu kriegen sind. Und trotzdem fühlen sich alle im Recht. Viele haben nicht den leisesten Zweifel daran, ob das, was sie meinen, auch das ist, was Jesus Christus will und von ihnen erwartet.

Das Reich Gottes

Menschen, die mit dieser Denke unterwegs sind, ist nur schwer beizukommen. Ich vermute, dass Jesus hier deshalb so deutlich war. Tatsache ist aber, dass solche Christen Jesus nicht verstanden haben. Jesus will nicht der Erfüllungsgehilfe für unser persönliches Wohlbefinden sein. Er ruft in die Nachfolge. Sein Kerngeschäft war die Predigt vom Reich Gottes, verbunden mit der Aufforderung, dieses Reich an die erste Stelle zu setzen. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit. Dann ergibt sich der Rest auch,“ sagte Jesus. Viele wohlmeinende Christen übersehen diesen Punkt. Sie haben ihre Vorstellung von Jesus, kennen ihn aber nicht wirklich. Deshalb ist es in den Herausforderungen unserer Zeiten dringend notwendig, dass wir gängige Vorstellungen über Jesus hinterfragen.

Alleine unser kurzer Abschnitt enthält bei genauer Betrachtung einige Überraschungen. Aus unterschiedlichen Gründen sind viele Christen der Auffassung, dass zwischen Jesus und dem Alten Testament ein unüberbrückbarer Gegensatz besteht. Sie denken, das Alte Testament sei überholt, Jesus würde es aufheben und etwas völlig Neues bringen. Dabei übersehen sie, was für eine große Rolle das Alte Testament und insbesondere die Gebote für Jesus spielten. Auch in dieser Geschichte bewegt sich Jesus vollständig im Rahmen des Alten Testaments.

Jesus und das Alte Testament

Als der Aussätzige kommt, sagt Jesus nicht: „Ach was, Aussatz. Die sollen sich mal nicht so anstellen, wegen der paar Pickelchen. Komm, ich geh mal mit dir in den Tempel, und dann klären wir das.“ Er heilt den Aussätzigen. Aber nicht, weil es medizinisch notwendig ist. Sondern weil die Bestimmungen des Mose die Heilung notwendig machten. Mit der Aussage: „Opfere das, was Mose geboten hat“ bestätigt er sogar, dass das dritte Buch Mose tatsächlich von Mose stammt. Die Anweisungen, die Mose dort gegeben hat, sind zu befolgen. Wer die jüdischen Wurzeln von Jesus leugnet, kennt ihn nicht richtig. Das Leben von Jesus ist dafür viel zu sehr vom ersten Teil der Bibel, dem Alten Testament, geprägt und auch abhängig. Das Alte Testament war die Bibel der ersten Kirche. Es half den Menschen, Jesus zu verstehen.

Darum geht es doch. Jesus besser kennen zu lernen und dann seinen Willen zu tun. Deshalb muss der Einsatz für Jesus von zwei Fragen begleitet werden: Jesus, wer bist du? Und: Jesus, was willst du? Wer so fragt, kann sich auf Überraschungen gefasst machen.

Ihr Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
Alle Kommentare werden redaktionell geprüft. Wir behalten uns das Kürzen von Kommentaren vor. Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.

Kommentare (1)

Rike /

Aussatz war meines Wissens damals nun doch nicht so harmlos, wie der Ausleger es dargestellt hat, man denke nur an Jesu Heilung der 10 Aussätzigen.