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/ Bibel heute

Anfechtung und Trost beim Glück des Frevlers

Bernhard Berends über Psalm 73.

Ein Psalm Asafs. Gott ist dennoch Israels Trost für alle, die reinen Herzens sind. Ich aber wäre fast gestrauchelt mit meinen Füßen; mein Tritt wäre beinahe geglitten. Denn ich ereiferte mich über die Ruhmredigen, da ich sah, dass es den Frevlern so gut ging.

Psalm 73

Sind Christen glücklicher als Menschen, die nicht an Gott glauben?

Asaf, der Dichter des Psalms 73, sieht die Menschen um sich herum, und er sieht sich selbst. Er beobachtet: Die Gottlosen sind glücklich in der Welt und werden reich. Gottlose, das sind doch Menschen, die nicht nach Gott und nach seinen Geboten fragen. Sie leben offenbar nach dem Motto: „Jeder ist seines Glückes Schmied“. Und so sehen sie zu, dass sie zu Wohlstand und Reichtum kommen. Ihnen scheint alles zu gelingen. Sie haben einfach Glück.

Und wie geht es dem Asaf selbst? „Ich bin doch täglich geplagt“, so schreibt er. Was ihn plagt, was ihm zu schaffen macht, wird nicht näher erläutert. Er führt sein Leben in Verantwortung vor Gott. Er möchte ehrlich durch die Welt gehen und passt auf, dass er nicht schuldig wird vor Gott und seinen Mitmenschen. Aber er hat zu kämpfen. Vielleicht setzt ihm eine schwere Krankheit zu. Vielleicht hat er finanzielle Sorgen, oder er hat Schweres erlebt. Dass Gott ihm seine Frömmigkeit belohnt, kann ich nicht sagen. So gesehen sind die Gottlosen besser dran als er. Sie machen sich keine großen Gedanken. Sie leben einfach und freuen sich des Lebens. Ja, sie sind glücklich, und es geht ihnen gut. Ob das wirklich immer so ist?

Neid auf die Gottlosen?

Der Psalm 73 ist schon weit über 2000 Jahre alt. Aber ich merke: Das Thema, mit dem er sich beschäftigt, ist heute noch genau so aktuell wie damals. Mir sind solche Gedanken nicht fremd, wie Asaf sie damals hatte. Ich beobachte, dass es Menschen, die ohne Gott leben, oft besser geht als Christen, die bewusst ihr Leben mit Gott leben. Ihnen scheint alles zu gelingen. Sie scheinen wirklich das Glück auf ihrer Seite zu haben. Ich sehe, dass sie in schicken Häusern wohnen, dass sie viel Kraft haben und offenbar gesund sind. Sie können sich ein angenehmes Leben leisten. Warum sollten sie an Gott glauben, wenn es ihnen gut geht? Es fehlt ihnen doch nichts. Oder doch?

„Als mein Herz verbittert war und ich mich tief verletzt fühlte, da war ich töricht und ohne Einsicht, verständnislos stand ich vor dir“, so lese ich die Verse 21 und 22 in einer neueren Übersetzung des Psalms.

Asaf wendet sich an Gott. Er merkt: „Wenn ich nur neidisch auf die anderen blicke, denen es besser geht als mir, wenn ich vielleicht auch mich selbst bedauere und meine Gedanken kreisen immer nur um mich und meine schwierige Situation, dann komme ich nicht weiter. Ich werde geradezu wie in einem Strudel immer weiter nach unten gezogen.

Gottvertrauen statt Neid

Doch der Beter findet einen Ausweg. Er beschließt, das Heiligtum Gottes aufzusuchen, also den Tempel in Jerusalem. Hier sucht er Gottes Nähe. Hier kommt er mit anderen Menschen zusammen, die wie er Gott anbeten. Gemeinsam wenden sie sich von sich selbst weg, hin zu Gott. Sie beten ihn an. Sie klagen ihm ihre Not. Sie bitten ihn um seine Nähe und um seine Hilfe.

Gut, dass auch ich nicht allein bleiben muss mit meinen schweren Gedanken. Gut, dass es die Gemeinde gibt, Frauen und Männer, die sicher auch wie ich ihre Lasten zu tragen haben. Aber wir kommen zusammen und beten unseren Gott an. Wir nennen ihm, was uns bedrückt. Wir geben einander Anteil an dem, was uns das Leben schwer macht, und erfahren: Meine Last wird kleiner, wenn ich merke, andere tragen diese Last mit. Gemeinsam bringen wir sie vor Gott.

Wie anders geht es doch den Gottlosen! Sie suchen nicht Gottes Nähe. Sie bleiben bei sich selbst. Sie denken womöglich, dass ihr Geld und Gut ihnen Sicherheit und Glück verschaffen. Aber ich erkenne, dass sie auf einem unsicheren Lebensfundament stehen. Von einem „schlüpfrigen Grund“ redet der Psalmdichter. Und vor allem: Ihr Leben endet mit Schrecken. Eines Tages werden sie einsam und allein sterben. Nichts von dem, was sie sich erarbeitet haben, nichts von ihrem Besitz, nichts von ihrem Ruhm können sie mitnehmen. „Wie werden sie so plötzlich zunichte! Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken“, stellt Asaf fest.

Doch dann fasst der Beter in Worte, was der lebendige Gott ihm bedeutet: „Dennoch bleibe ich stets an dir; denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.“

„Dennoch bleibe ich an dir. Dennoch, trotz allem, was dagegen zu sprechen scheint. Denn deine starke Hand hält mich fest, so wie ein Vater oder eine Mutter das kleine Kind an die Hand nimmt und das Kind festhält, wenn es zu fallen droht. Du, Gott, hältst mich fest, auch wenn mein Glaube ins Wanken gerät, auch wenn ich mit großen Widerständen zu kämpfen habe, auch wenn ich den Eindruck habe, dass der Boden unter mir versinkt. Du hältst mich ja fest.“

Aus diesen Worten spricht ein großes Vertrauen in den treuen Gott, der nicht loslässt.

Im Haus meines Großvaters hing in der Stube ein schlichtes Holzschild mit nur einem Wort: „Dennoch“. Als Kind konnte ich mir nicht erklären, was dieses Wort bedeuten sollte. Erst viel später wurde es mir klar. Mein Opa hat in den Jahren im und nach dem Krieg viel Schweres durchgemacht. 1944 verstarb seine Frau an Tuberkulose. Alle seine drei Söhne wurden in den Kriegsdienst eingezogen. Nur einer kam zurück, mein Vater. Wie konnte mein Großvater das durchstehen? Er vertraute sich dem lebendigen Gott an. Er rechnete damit, dass Jesus, der Sohn Gottes, auch für ihn gestorben und auferstanden ist. Er konnte im Glauben annehmen, dass Gott keine Fehler macht und Kraft gibt für jeden Tag. „Dennoch bleibe ich stets an dir.“ Das war sein Bekenntnis. Und er vertraute darauf, dass Gott ihn einen guten Weg führen würde.

Dennoch

Einen solchen „Dennoch-Glauben“ wünsche ich mir und auch Ihnen. Was Sie auch erleben mögen, wie schwer es auch für Sie sein oder kommen mag: Er, der lebendige Gott, will Sie mit seiner starken Hand festhalten.

Ja, wir können Gottes Walten und Gottes Wege oft nicht verstehen. Er verspricht uns nicht, dass wir leicht durchs Leben kommen. Aber er sagt uns zu, dass er an unserer Seite ist.

Es gibt viele Lieder, die dieses Vertrauen in die guten Wege Gottes zum Ausdruck bringen. Und wir dürfen gerne darin einstimmen, z.B. „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl.“ Oder: „Ich steh in meines Herren Hand und will drin stehen bleiben“. Was für ein großer Schatz, die Worte der Bibel, gerade auch in den Psalmen, oder auch solche Liedverse! Wenn mir die Worte fehlen, dann kann ich getrost in diese Worte einstimmen.

Am Ende seines Psalms bekennt Asaf: „Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf Gott, den Herrn, dass ich verkündige all dein Tun.“

„Gott nahe zu sein, ist mein Glück“, so lautet der Anfang dieses Verses in einer anderen Übersetzung. Ja, wirklich, dieses Glück, Gott nahe sein zu können, ist für mich ein größeres Glück als alles Geld und alles Gut.

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Kommentare (1)

Rike /

Eine sehr gute Auslegung, die ich mir zum Weitergeben ausdrucken werde. Herzlichen Dank!