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Aus der Deckung

/ Wochenration / Lesezeit: ~ 3 min

Aus der Deckung

Die Basis jeder Begegnung

Im Allgemeinen bin ich eher schlecht darin, meinen Gedanken und Ideen einen Wert beizumessen und sie anderen mitzuteilen. „So wichtig ist es nicht. Das können andere viel besser“, sagt mein Kopf immer wieder zu mir. Und trotzdem und vielleicht genau deswegen habe ich das Abenteuer Kolumne gestartet und gelernt, mich selbst so ernst zu nehmen wie alle anderen.

Schutzmauern

Da sind wir auch schon beim Titel: Aus der Deckung. Für mich bedeutete der Start einer Kolumne einen Schritt aufs Wasser. Es macht mir Angst, meine Gedanken und Gefühle mit anderen Menschen zu teilen. Es macht mich angreifbar und verletzlich.

Wer mich kennt, weiß oder erahnt vielleicht, dass ich über die Jahre sehr gut darin geworden bin, mir eine innere Schutzmauer aufzubauen. Ich kontrolliere ziemlich genau, wer einen Blick auf die andere Seite erhaschen darf und wieviel wer von mir zu sehen bekommt. Das ist erstmal komfortabel, aber eben auch auf Dauer nicht gesund.

Meine Emotionen behalte ich so lange bei mir bis es nicht mehr geht und sie dann schlagartig hervorbrechen. Kann ich vor meinen engsten Freunden gut weinen? Nein. Fällt es mir leicht, mir Hilfe oder Beistand zu suchen? Nein. Am liebsten würde ich nach außen immer die fröhliche Marie zeigen und die verletzliche Marie im stillen Kämmerchen nur so weit herauslassen, wie es unbedingt sein muss.

Mut zur Ehrlichkeit

Was mir aber am Herzen liegt, sind Menschen. Ich möchte Menschen Zuflucht bieten, sie so annehmen, wie sie sind. Wie soll ich das auf Dauer gut können, wenn ich mich selbst nicht so annehme, wie ich eigentlich bin? Klar, bis zu einem gewissen Zeitpunkt geht das.

Aber irgendwann wird auch meine Fassade bröckeln und wenn die Leute mich dann von der Seite sehen, die sie noch nie gesehen haben, verliere ich dann meine Glaubwürdigkeit? Nimmt mein ständiges Verdrängen meiner Emotionen mir nicht die Authentizität? Ich glaube schon.

Ich glaube, dass es jeder Mensch verdient hat, dass ich ihm ehrlich und authentisch entgegentrete, sonst kann ich nicht erwarten, dass sich jemand mir gegenüber öffnet. Also ist die Basis jeder Begegnung, die Frucht bringen soll: Ehrlichkeit, Offenheit und Verletzlichkeit.

Das ist es auch, was ich schon Anfang des Jahres von Gott gehört habe: Ich muss lernen, mehr von mir preiszugeben. Bei dem Gedanken schnürt sich mir die Kehle zu. Aber ich weiß, dass es notwendig ist und dass es gut ist. Ich weiß, dass mich nicht alle Menschen, die mich kennen, plötzlich deswegen hassen werden und ich von allen alleine gelassen werde. Aber die Angst bleibt irgendwo im Hinterkopf immer noch bestehen.

Frei sein

Ein Ort, an dem ich das in letzter Zeit akut gemerkt habe und schon den Kampf beginnen konnte, ist der Lobpreis. Ich darf in meiner Gemeinde seit neustem Lobpreis leiten. Was für eine Ehre und was für eine Herausforderung! Solange ich die Lieder singen kann und zu Gott schauen kann, während der Musik, fühle ich mich sehr wohl. Mir ist es eigentlich egal, dass ich gerade auf einer Bühne stehe und mich 150 Menschen mehr oder hoffentlich weniger anschauen.

Die Sache, die mich in Panik versetzt, sind die Momente, in denen ich nicht vom ‚Song-Skript‘ ausgehen kann, sondern mich selbst zeigen muss. Seien es Begrüßungen, Gebete oder Überleitungen. Sobald ich ins Mikro sprechen muss, bekomme ich richtig Angst. Aber hier durfte ich die letzten Wochen schon so oft Gottes Güte und Gnade sehen. Ich durfte und darf weiterhin lernen, ihm genau das hinzulegen und freier zu werden in dem, was ich bin.

Also wage ich mich jetzt raus aus der Deckung und vertraue darauf, dass Gott mich dabei stärken wird und ich Menschen in Ehrlichkeit begegnen kann. Irgendwie hab ich auch die Ahnung, dass die Welt ohne Schutzmauern vielleicht ein bisschen bunter ist.

Dieser Text von Marie Wandelt wurde ursprünglich auf keineinsamerbaum.org veröffentlicht.

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