27.09.2021 / Wort zum Tag

Zuhause in Gottes Wort

Ehe ich gedemütigt wurde, irrte ich; nun aber halte ich dein Wort.

Psalm 119,67

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Der 119. Psalm ist ein sprachliches Kunstwerk. Im Urtext beginnen jeweils 8 Verse mit demselben Buchstaben. Und zwar fortlaufend nach den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets. Damit ist er der längste Psalm. Aber nicht nur seine sprachliche Form macht ihn zu etwas Besonderem, sondern sein Inhalt. In diesem Psalm wird in fast überschwänglicher Weise herausgestellt, wie herrlich, wichtig, kostbar und wertvoll doch Gottes Wort ist.

Dabei stammt dieser Psalm nicht von einem Menschen, der auf der „Sonnenseite des Lebens“ großgeworden ist. Einer, der nur Schönes und Wunderbares erlebt hat. Nein.

Wenn wir den Psalm als Ganzes lesen, erfahren wir von den dunklen Seiten und Zeiten des Lebens. Da ist von erfahrenem Spott und erlebten Demütigungen die Rede. Wer mag das schon? Und wer kann sich so einfach darüber hinwegsetzen? Lässt sich das so einfach wegstecken?

Da ist im Psalm weiter von Verachtung, ja sogar von Verfolgung und lebensbedrohlichen Situationen die Rede. Im Grunde also: alles andere als ein angenehmes und erstrebenswertes Leben. Ich frage mich: wie kann ein Mensch das aushalten? Was gibt einem Menschen in solchen Zeiten Kraft und Halt, dass er nicht an seinen Lebensumständen verzweifelt und zerbricht? 

Wenn ich den Psalm lese, wird mir klar: da ist jemand tatsächlich im Wort Gottes zuhause. Da lebt jemand ganz bewusst mit diesem Wort. Er spricht davon, dass Gottes Wort ihm Licht ist, ihm Orientierung schenkt, dass es ihn klug und weise macht.

Es ist für ihn wie ein Schatz, kostbarer als Gold und Silber. Er liebt es. Weil er dadurch seinem Gott begegnet. Weil dadurch sein Leben verändert wird. Es bestimmt sein Denken und sein Handeln. Das war bei ihm offensichtlich nicht schon immer so. Denn er stellt fest: „Ehe ich gedemütigt wurde, irrte ich; nun aber halte ich dein Wort.“ (Psalm 119,67)

Welche Demütigungen das konkret waren, das erfahren wir nicht. Aber offenbar waren sie mit ein Anstoß, dass der Beter sich dem Wort Gottes geöffnet und Entscheidendes für sein Leben daraus gelernt hat.

So geschieht es auch heute noch, dass Menschen durch eine schwierige Lebenssituation ins Fragen und Nachdenken kommen. Sie fragen nach dem, was wirklich Halt gibt. Sie fragen nach einer guten Perspektive für ihr Leben. Sie fragen nach einem Sinn und Ziel für ihr Leben. Sie fragen nach einer tragfähigen Hoffnung.

Wohl dem, der nicht irgendwo sucht, sondern der sich dann auf Gottes Wort einlässt und in der Bibel nach Antworten und Orientierung sucht.

Wohl dem, der durch das biblische Wort Jesus Christus begegnet. In ihm hat der lebendige Gott in einzigartiger Weise zu uns geredet. In Jesus zeigt Gott uns, wieviel wir ihm bedeuten. Er vermittelt uns die Liebe Gottes und gibt uns die Gewissheit, dass wir von ihm angenommen sind und zu ihm gehören. Er schenkt erfülltes Leben. Und er ermutigt uns, aus dem Geist seiner Liebe zu leben und zu handeln.

Aber es müssen ja nicht unbedingt nur die schwierigen Lebensumstände sein, die uns ins Fragen und Nachdenken bringen. Auch in den guten Zeiten des Lebens lohnt es sich, nach Gottes Wort zu fragen, es zu lesen und sich daran zu orientieren. Die Welt heute braucht mehr denn je Menschen, die ganz bewusst mit dem Wort Gottes leben und danach handeln.

Deshalb will ich gerne im Wort Gottes „zuhause“ sein, so dass es mich und mein Leben verändert. Ich brauche sein Wort als Orientierung für mein Leben. Und ich habe bisher in meinem Leben und Glauben erfahren: es hilft mir; es stärkt mich; es erfüllt mich mit Hoffnung; es macht mich dankbar und zufrieden.

Autor/-in: Pfarrer Jürgen Barth