05.12.2022 / Wort zum Tag

Wissen wir immer, was gut für uns ist?

Lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen, denn du bist mein Gott; dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn.

Psalm 143,10

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Stellen Sie sich vor: Sie haben das Angebot erhalten, eine neue Arbeitsstelle anzutreten. Sie erzählen Ihrer besten Freundin davon – eigentlich nur mit der Absicht, ihr zu erklären, weshalb Sie das Angebot ablehnen. Sie möchten lieber auf Ihrer bisherigen, gewohnten Position weiterarbeiten. Doch Ihre Freundin meint: Sie sollten die neue Stelle annehmen, sie biete Ihnen Entwicklungschancen. Ihre Diskussion wird lebhaft, dann heftig, und schließlich sagt Ihre Freundin: „Warum hörst du denn nicht auf mich? Anscheinend weiß ich besser als du, was gut für dich ist!“

Wie würden Sie auf so eine Behauptung reagieren? Viele Menschen wären gekränkt. Es kränkt sie, wenn jemand behauptet: „Ich weiß besser als du, was gut für dich ist.“ Sie fühlen sich wie ein kleines Kind behandelt, dem die Eltern sagen, was es tun soll. Sie denken: „Ich weiß doch selbst am besten, was gut für mich ist!“

Stimmt es, dass erwachsene Menschen immer selbst am besten wissen, was gut für sie ist? Oder gibt es Situationen, in denen tatsächlich jemand anders besser erkennt, welchen Weg wir gehen sollen?

„Lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen, denn du bist mein Gott; dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn.“ So lautet die Losung der Herrnhuter Brüdergemeine, Psalm 143, Vers 10. „Lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen“ – Wer so betet, geht davon aus: Ich weiß nicht automatisch, welchen Weg ich einschlagen soll in meinem Leben. Ich weiß es nicht von mir aus. Ich bitte Gott, dass er es mir zeigt. Ich will mich von ihm führen lassen.

Diese Grundeinstellung erscheint vielen Menschen heute altmodisch, überholt. Ja, früher, über viele Jahrhunderte, haben Menschen wie selbstverständlich gehorcht, oft ohne selbst darüber nachzudenken. Der Bauer gehorchte seinem Grundherrn, der Untertan dem König, der Soldat dem Offizier. Und der Gläubige gehorchte dem Priester, der auftrat mit dem Anspruch: „Ich sage dir, was Gott von dir fordert.“

Blinder Gehorsam ist aus der Mode gekommen – Gott sei Dank! Die meisten haben sich angewöhnt zu hinterfragen, was andere von ihnen fordern: „Ist es vernünftig? Ist es gut für mich? Oder verfolgt jemand mit seinen Befehlen an mich nur sein eigenes Interesse? Weiß ich nicht selbst am besten, was gut für mich ist?“

Doch auch Menschen, die auf Selbstbestimmung pochen, geraten auf Irrwege und Abwege. Auch wenn Menschen ihren eigenen Willen durchsetzen, werden sie oft schuldig und scheitern. Und das entspricht der Einsicht, die sich in der Bibel zeigt: Wir Menschen sind schwache, fehlerbehaftete Geschöpfe. Wir sind anfällig für das Böse - selbst dann, wenn wir nach unserem Bewusstsein das Gute wollen. Wir lassen uns verleiten, manchen schlechten Weg zu gehen.

Deshalb ist es gut, nach Gottes Willen zu fragen. Dem Willen dessen, der uns geschaffen hat. Der uns deshalb besser kennt, als wir uns selbst kennen. Der weiß, was gut für uns ist. Der es gut mit uns meint. Dem wir vertrauen können.

Deshalb ist es sinnvoll zu beten: Gott, „lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen“ – ich will mich bemühen, deinen Willen herauszufinden, auch wenn das nicht immer leicht ist. Ich will auf dein Wort in der Bibel hören. Und vielleicht sprichst du zu mir durch einen Menschen, der meine Stärken und Schwächen kennt, den Freund, die Freundin, die begreift, was gut für mich ist.

Autor/-in: Pastor Martin Knapmeyer