21.05.2018 / Wort zum Tag

Wirklich allen?

Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!

Philipper 4,5

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Allen Menschen soll ich meine Güte erfahren lassen, wirklich allen? Dem blöden Autofahrer hinter mir, dessen Stoßstange fast an meine reicht? Dem Mitarbeiter, der mich so hat hängenlassen? Und wenn ich bei allem freundlich bleibe – dann denken andere doch: „Mit der kann man‘s ja machen!“

Kennen Sie auch diesen feinen Triumph, wenn man Mühe mit einem Mitmenschen hat, und ein anderer redet schlecht über ihn? Innerlich tut es mir so gut – statt dass ich traurig darüber bin. Ist das Güte? Hm.

Ach ja. Paulus hat nicht gesagt, dass es immer leicht ist, freundlich zu bleiben. Aber es gehört zu Christen – es ist noch wichtiger als Rechtschaffenheit, wichtiger als Glaubenstiefe… Wie war das noch mit „die Liebe aber ist die größte Gabe Gottes?“ Eben: eine Gabe!

Meine Güte ist ja immer nur ein Echo der Güte Gottes „Dass ich die Güte, von der ich leb, liebend an andre weitergeb“. Wer den ganzen Tag über Gottes Güte in sich reinlässt, wer in ihr sozusagen „badet“ - bei dem schmilzt die Bitterkeit: Mensch – wie hab ich es gut: Gott liebt mich, er sorgt für mich – kann ich da noch böse sein mit anderen?! Wenn es mir gutgeht, kann ich leichter gütig sein. Und der nachfolgende Vers sagt es ja auch: wenn du Sorgen hast, sag sie Gott - und der Friede kommt dann wieder in dich hinein.

Nun habe ich persönlich mit dieser Ermahnung von Paulus keine so großen Probleme: mir fällt es nicht so schwer, Menschen zu mögen. Ich finde Menschen so interessant, und wenn ich dann ihre Lebensgeschichten höre, kann ich manches auch eher einordnen. Ist das vielleicht so ein Schlüssel zur Güte: „Versuche, dich in den anderen hinein zu versetzen!“?

Jesus konnte um Vergebung bitten für die Soldaten. Er betete: „Sie wissen nicht, was sie tun.“ Natürlich wussten sie, dass sie grausam waren, es war ihr Handwerk, aber sie wussten nicht, WEN sie da kreuzigten: Gott selbst eigentlich. Wenn ihnen das mal aufgeht – wie sehr werden sie sich schämen?!

Mitleid ist wohl auch ein Schlüssel zur Güte. Du liebe Zeit, den drängelnden Autofahrer hinter mir soll ich bemitleiden??? Ja, irgendwann fiel mir auf: wenn der so dicht hinter mir fährt, ist er ja abhängig von mir: Wenn ich bremse – weil ein Tier über die Straße läuft - dann muss er sofort auch bremsen; würde er Abstand halten, könnte er entspannter fahren; hat er also nicht mein Mitleid verdient? Vielleicht hat er ja auch einen ganz miesen Job – und ist schon morgens deswegen voller Zorn?

Einen weiteren Schlüssel nennt Paulus: Der Herr ist nahe! Ich soll wissen: Gott ist mir räumlich nahe. Er sieht, was ich denke. Und diese feine Schadenfreude passt nicht zu mir. Dieses Triumphieren über andere soll nicht mein Stil sein als Kind Gottes. Und ich bete: „Verzeih mir, Herr!“

Der Herr ist nahe! – das ist auch zeitlich gemeint: Jesus kommt wieder. Er hält dann Gericht. Also will ich den anderen Jesus überlassen. Abgeben an ihn. Ich aber will baden in der Gegenwart meines Herrn.

Autor/-in: Pfarrerin Renate Schmidt