25.11.2021 / Wort zum Tag

Wir sind Doppelbürger

Ihr seid nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.

Epheser 2,19

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Der heutige Tageslehrtext ist aus dem Epheserbrief: „Ihr seid nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, ihr seid vielmehr Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.“ (Epheser 2,19)

Wenn jemand in unser Land einwandert, dann ist er zunächst ein Fremder ohne Bürgerrecht. Er darf zwar Steuern zahlen, aber nicht abstimmen und wählen.

Abraham war ein Fremder im Land Kanaan, in das Gott ihn gerufen hatte. Er ist gestorben, ohne die Verheißungen erfüllt gesehen zu haben, die Gott ihm gegeben hatte. Nur von fern hat er sie gesehen. Er war ein Gast und Fremdling auf der Erde.

Das ist auch heute ein Teil der Existenz von uns Christen. Wir sind Doppelbürger. Wir leben in unserer Welt und nehmen hier unsere Aufgaben wahr. Gleichzeitig haben wir hier „keine bleibende Stadt“, wie es im Hebräerbrief formuliert ist. Wir passen unsere Lebensweise dieser Grundsituation an. Wir binden uns nicht in endgültiger Weise an die Dinge dieses Lebens, sondern „wir haben, als hätten wir nicht“, wie wir es bei Paulus lesen können.

Das verleiht uns eine herrliche Gelassenheit. Wir sind im Tiefsten an nichts gebunden. Verlusterlebnisse sind schmerzhaft, tödliche Diagnosen erschreckend. Und dennoch: Im Wissen, dass wir ein zweites Bürgerrecht haben, sind wir unterwegs zu unserer endgültigen, letzten, himmlischen Heimat.

Paulus richtet sein Wort an die Gemeinde von Ephesus. Neben Juden gehörten zahlreiche Nichtjuden zu dieser Gemeinschaft. Speziell ihnen ruft Paulus zu: Die alte Mauer zwischen Juden und Heiden ist durch Jesus Christus eingerissen. Kurz vor unserem Vers schreibt Paulus:

„Ihr wart damals fern von Christus, ausgeschlossen vom Bürgerrecht Israels und Fremdlinge, nicht einbezogen in die Bundesschlüsse der Verheissung, ohne Hoffnung und ohne Gott in der Welt.“ (Zürcher Bibel)

Jetzt aber ist eine neue Zeit angebrochen. Das in Christus entstandene Gemeinwesen der Gemeinde ist eine völlige Neuschöpfung. Die Zugehörigkeit dazu entsteht weder durch Geburt noch durch Gesetzesgehorsam, sondern durch den Glauben, durch das Vertrauen auf die Rettungstat Christi.

Man hört gelegentlich die Meinung, die Kirche habe Israel ersatzlos abgelöst. Alle an Israel gegebenen Verheißungen seien aufgehoben und an die Christen übergegangen. Hier gilt es, die mahnenden Worte des Paulus zu beherzigen:

Er vergleicht die Christen mit Zweigen, die aus einem wilden Ölbaum herausgebrochen und in den edlen Ölbaum des Volkes Israel eingepfropft worden sind. Dort wurde Platz frei, weil ebenfalls Zweige herausgebrochen wurden. Paulus schließt mit der Ermahnung:

„Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich!“

Die Verheißungen des Alten Testamentes für Israel bleiben gültig. Gott steht zu seinem Wort. Deshalb sollten wir die Juden als eine Art ältere Brüder und Schwestern respektvoll behandeln. Wer Gottes Volk angreift, greift Gott selber an. Der Prophet Sacharja sagt mit einem eingängigen Vergleich, wie Gott zu seinem Volk steht: „Wer euch antastet, der tastet seinen Augapfel an.“  (vgl. Sacharja 2,12)

Freuen wir uns darüber, dass wir unabhängig von der Volkszugehörigkeit „Hausgenossen Gottes“ sein dürfen.

Autor/-in: Pfarrer Alexander Nussbaumer