26.11.2013 / Interview

"Wir passen eigentlich nicht zusammen!"

Arno und Hanna Backhaus haben durchbuchstabiert, wie man trotz aller Verschiedenheit eine glückliche Ehe führt.

Arno und Hanna Backhaus sind seit 41 Jahren miteinander verheiratet. Nun haben sie gemeinsam den Eheratgeber „verliebt, verlobt, verheiratet, verschieden“ geschrieben. ERF Online hat bei den beiden nachgefragt, was eine gute Ehe ausmacht.

ERF Online: Sie schreiben am Beginn Ihres Buches, dass in der Ehe zwei Häuser zu einem Haus zusammengefügt werden - Sie sprechen hier von zwei Ruinen. Das klingt nach harter Arbeit. Ist eine Ehe vornehmlich das?

Arno Backhaus: Das ist Arbeit, aber harte Arbeit klingt so negativ. Wir haben gestern im Garten gearbeitet und das macht richtig Spaß, wenn man anschließend etwas Schönes hergerichtet hat.

Hanna Backhaus: Wir empfinden beide, dass Ehe Arbeit ist. Diese Arbeit ist mal schwer und mal schön. Es gibt immer wieder auch tolle Phasen in der Ehe. Das kann dazu ermutigen an dem zu arbeiten, was an Vorerfahrungen aus der Kindheit da ist. Die Ruine ist ein Bild für diese Vorerfahrungen. Hier gilt es vom Anderen zu erfahren, wo er schmerzlich reagiert auf das, was ich ihm entgegenbringe. Und dabei lernt man, dass es Arbeit bedeutet zueinander zu kommen trotz der Verschiedenartigkeit.

ERF Online: Wie erkennt man diese Ruinen, die jeder mitbringt?

Hanna Backhaus: Wenn man miteinander lebt, spürt man manchmal, dass man den anderen verletzt, ohne dass man es will. Und dann müssen beide überlegen, was die Ursache dafür ist. Die liegt meistens tiefer und manchmal braucht es mehrere Situationen, in denen man sich verletzt, um herauszufinden, was die Ursache dafür ist.

ERF Online: Wie kann man solche Ruinen gemeinsam abtragen?

Arno Backhaus: Eine wichtige Voraussetzung, um Ruinen abzutragen, ist Wertschätzung. In der Bibel steht, wir sollen Liebe üben. Der Schwerpunkt liegt auf dem Üben, nicht auf der Liebe. Die Liebe fällt einem nicht in den Schoß, sie kommt nicht von selbst. Ich muss lernen, was es heißt den anderen zu lieben. Aber wenn der andere mich wertschätzt und ich mich von ihm geliebt weiß, hilft mir das, mich nicht ständig zu rechtfertigen, wenn er mir hilft meine Ruinen abzutragen. Das klingt jetzt hier so locker, im Alltag war das oft sehr heftig. Da haben wir uns verteidigt und verletzt, gestritten, geheult und vergeben, aber uns auch wieder verletzt, verteidigt und so weiter…

Hanna Backhaus: Bis dahin, dass man manchmal auch einfach über Situationen lacht, die sich aus dieser Unterschiedlichkeit ergeben. Das ist bei uns ganz oft so. Aber das bedeutet, dass wir eine gute Art des Umgangs damit gefunden haben.

„In eine Ehe muss ich investieren wie in einen Garten“

Seit 1972 sind Arno und Hanna Backhaus verheiratet und haben drei Kinder und drei Enkel. Die beiden Sozialopädagogen sind freiberuflich tätig, schreiben Bücher und halten Vorträge und Seminare. Zur Webseite

ERF Online: In Ihrem Buch sprechen Sie sogar von der Notwendigkeit, einander zu erziehen und sich gegenseitig wie einen Diamanten abzuschleifen. Mir wurde immer gesagt, jemanden ändern zu wollen, sei eine schlechte Taktik in einer Beziehung. Was stimmt denn nun?

Hanna Backhaus: Es ist wichtig, dass ich mich vom anderen angenommen und geliebt weiß. Ich bin für ihn eine einmalige Person und das beinhaltet auch, dass er mit mir an dem arbeitet, was eine gute Beziehung behindert. Wir alle wollen eine glückliche Beziehung, aber die Grundlage dafür ist, auch miteinander die Täler zu durchwandern und sich zu fragen: „Was liegt bei dir an Geröll und was bei mir?“ Denn wir sind beide nur Menschen und haben beide Fehler.

Arno Backhaus: In Sprüche 27,17 steht: „Eisen wird durch Eisen geschärft, und ein Mann schärft das Angesicht seines Nächsten.“ Der Mensch bekommt seinen Schliff im Umgang mit anderen Menschen. Es ist keine gute Einstellung, wenn ich in die Ehe hineingehe, um den anderen zu verändern. Es ist eher so: Ich muss selbst meine Ruinen abtragen. Aber dabei kann der andere helfen. Wenn ich dem anderen zugestehe, mich zu schleifen und der andere das mit Wertschätzung und Liebe macht, habe ich schon gewonnen. Das geht dann aber von mir aus, nicht vom anderen.

ERF Online: Dennoch klingt dieser Begriff „sich gegenseitig abschleifen“ nicht so sehr nach glücklicher Verliebtheit, sondern nach einem schwierigen Prozess, der auch wehtun kann.

Arno Backhaus: Ja, das kann auch wehtun und schwierig sein, aber es tut nicht nur weh und ist nicht nur schwierig. Kein Mensch reift in seiner Persönlichkeit, wenn er in Mallorca am Strand liegt. Wir werden reife, starke Persönlichkeiten, wenn wir Konflikte angehen und gelernt haben, damit umzugehen. Viele stellen sich unter Ehe vor: „Heiraten und dann entsteht etwas Schönes.“ Aber ich muss daran arbeiten, damit etwas Schönes entsteht. Das ist wie bei einem Garten: Wenn ich den nicht bearbeite, wird er überwuchert. In eine Ehe muss ich investieren wie in einen Garten. Dabei mache ich mich dreckig, dabei schwitze ich, das ist anstrengend, aber nicht nur anstrengend.

„Das Geheimnis liegt in der Ergänzung“

ERF Online: Es gibt aber auch Bereiche, in denen man sich nicht ändern kann. Wie kann man damit umgehen, dass der Andere in manchen Punkten immer anders bleiben wird?

Arno Backhaus: Meine Frau und ich, wir passen eigentlich gar nicht zusammen. Wir sind in vielen Bereichen sehr unterschiedlich. Dementsprechend hart haben wir diskutiert und uns verletzt. Das war ein schwieriger Prozess, bis wir erkannt haben, dass wir uns gegenseitig ergänzen können. Jeder darf in einem bestimmten Bereich so bleiben wie er ist.

Hanna Backhaus: Wir lassen uns beide große Freiräume, so dass jeder das tun darf, was ihm guttut. Trotzdem vergessen wir nie, auch die gemeinsame Entspannung zu suchen und zu planen.

ERF Online: Bleibt durch diese Verschiedenheit nicht immer eine gewisse Spannung bestehen?

Arno Backhaus: In den Anfangsjahren kann das eine Spannung bleiben, aber je älter man wird, desto mehr erkennt man, dass es Bereiche gibt, die ich beim Anderen oder bei mir nicht ändern kann. Hier bin ich auf Gnade angewiesen und muss lernen, auch den Anderen so zu lassen, wie er ist. Es gibt einen Spruch, der besagt: „Wenn ich eine Sache nicht ändern kann, muss ich die Einstellung zu der Sache ändern.“ Wenn ich das befolge, tue ich mir selbst damit den größten Gefallen.

Hanna Backhaus: Es geht ja auch darum, Dinge gemeinsam zu genießen. Wenn ich Opern mag und mein Mann überhaupt keine Oper mag, dann ist das eine Spannung. Das wird vielleicht immer eine Spannung bleiben, aber man kann einen Weg finden, damit umzugehen.

ERF Online: Trotzdem hört man immer wieder bei Trennungen die Erklärung: „Wir waren einfach zu unterschiedlich! Es hat nicht gepasst.“ Was denken Sie über solche Erklärungen?

Hanna Backhaus: Die haben Recht, natürlich passen sie nicht zusammen. Sie sind verschieden. In unserer Welt ist die Ehe eine Möglichkeit zu zweit ein Ganzes zu werden. Das Geheimnis liegt in der Ergänzung und dieses Geheimnis zu entdecken ist Arbeit. Es ist ein gefährdetes Geheimnis, weil viele nicht gelernt haben, von sich selbst wegzusehen und auf den anderen zuzugehen.

Arno Backhaus: Die Aussage „Wir passen nicht zusammen“ ist oft nur ein Zeugnis dafür, dass die Leute nicht gelernt haben, Konflikte so anzugehen, dass sie sich kompatibel machen. Wir sind ein lebendes Beispiel. Wenn Sie uns kennenlernen, merken Sie, dass wir nicht zusammenpassen. Wie kommt es, dass wir 41 Jahre zusammen sind und je länger wir zusammen sind, desto glücklicher werden? Nicht weil wir in dem Anderen aufgehen oder wir unsere Rechte hinten anstellen, im Gegenteil: Wir haben beide gelernt, uns durchzusetzen. Wir sind kompatibel geworden, wir haben uns als Ergänzung verstanden, nicht als Gegensatz.

„Die Hochzeit sollte man tiefer hängen, die Ehearbeit höher“

ERF Online: Würden Sie sagen, dass es wichtiger in einer Beziehung ist, gemeinsame Werte und Ziele zu haben als sich ähnlich zu sein?

Arno Backhaus: Gleiche Werte und Ziele zu haben ist die Grundlage für eine Beziehung. Wenn ein Paar im Wertebereich unterschiedliche Ziele hat, ist das sehr schwierig. Das ist Heavy Metal.

Hanna Backhaus: Gemeinsame Werte sind auch immer wieder ein Punkt, wo man sich trifft. Wenn wir total zerstritten in den Gottesdienst gegangen sind, dann waren wir nach dem Gottesdienst wieder eher bereit, uns zu entschuldigen und uns unsere Fehler einzugestehen.

ERF Online: Hat es geholfen Jesus als Dritten im Boot zu haben, den man bei Konflikten ansprechen kann?

Hanna Backhaus: Ja, ich habe manchmal Verzweiflung in mir gespürt, wenn wir zerstritten waren. Doch dadurch wurde mein Vertrauen zu Gott gefördert, denn ich merkte, dass Arno nicht alle meine Bedürfnisse erfüllen kann. Ich habe mich dann an Gott gewandt, aber es hat Jahre gebraucht, bis ich nicht mehr alles an Glück von Arno erwartet habe. Und dann hat Gott meine Bedürfnisse doch durch Arno erfüllt. Es ging oft über den Weg zu Gott wieder zueinander. Meine tiefsten Bedürfnisse wurden erst gestillt, als ich losgelassen habe, dass Arno alles erfüllen muss. Ich bin heute mehr als glücklich und dankbar für unsere Beziehung, aber das war nicht immer so.

ERF Online: Welchen abschließenden Rat möchten Sie als langjähriges Ehepaar an junge Paare weitergeben? Was sollten die unbedingt wissen?

Hanna Backhaus: Junge Paare müssen unbedingt wissen, dass es wichtig ist, von vorneherein bewusst mit der Beziehung umzugehen und daran zu arbeiten. Und dass es sich lohnt auch in schwierigen Situationen durchzuhalten, denn das Glück steht immer am Ende einer schwierigen Situation und nicht am Anfang.

Arno Backhaus: Ich rate den Leuten es bei der Hochzeit genau andersherum zu machen. Bisher wird unendlich viel Geld, Zeit, Kreativität und Liebe in die Hochzeitsfeier investiert und danach in die Ehe nichts mehr. Aber lieber bei Mc Donald‘s mit Bällchenbad Hochzeit feiern und das ganze Geld, die Zeit, die Kraft, die Liebe und die Kreativität in die Beziehung investieren. Dann sähe es in vielen Ehen besser aus. Die Hochzeit sollte man viel tiefer hängen und die Ehearbeit viel höher.

ERF Online: Vielen Dank für das Interview.

Autor/-in: Rebecca Schneebeli