20.10.2023 / Wort zum Tag

Wer kann Gott sehen?

Der HERR redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet.

2. Mose 33,11

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Rund zwei Millionen Menschen gehen trockenen Fußes durch das Rote Meer. Und ihre Verfolger? Sie ertrinken. Israel ist seinem Gott wieder neu begegnet. Keine hundert Tage später lagert die Menschenmenge am Berg Sinai. Mose, der Anführer dieser Gemeinschaft, besteigt das imposante Granitmassiv. Und dort empfängt er von Gott eine Art Grundgesetz für alle Belange des Lebens. 

Unten am Fuß des Berges geschieht währenddessen Schlimmes. Die Israeliten wollen einen Gott haben, den sie sehen und anfassen können. Als Mose schließlich wieder ins Lager kommt, tanzen sie um ein selbstgemachtes Goldenes Kalb, Mose aber gibt nicht auf. Wieder oben am Berg bittet er Gott um Vergebung mit Einsatz seines eigenen Lebens. Und Gott gewährt Mose die Versöhnung. 

Von da an gibt es in der Nähe von Israels Lager einen Ort, wo Gott wohnt. In dieser Stiftshütte hat Gott nun seine Sprechstunden. Es gibt einen für alle zugänglichen Bereich (2.Mose 33,7). 

Die Stiftshütte ist das Zeichen für: Gott ist da. Während der Wüstenwanderung hat Gott ihnen so den Weg gewiesen. Mose betritt also das Zelt. Mose spricht mit Gott. Gott spricht mit Mose. Im Vers 11 – in 2.Mose 33 – heißt es dazu:

„Der HERR aber redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit einem Freunde redet.“

Hat Mose Gott gesehen in diesem heiligen Zelt? Die meisten Ausleger deuten das Bibelwort mit dem Verweis auf die Bildsprache.

Es war wie ein Gespräch unter vier Augen. So vertraut ist der Kontakt des Gottesmannes Mose mit seinem Schöpfer. Dieser Umgang weckt nun in Mose die Sehnsucht: „Lass mich deine Herrlichkeit sehen!“ (2.Mose 33,18) Aber auch den Gottesmann Mose verweist sein Schöpfer in seine Grenzen.

Am Ende desselben Kapitels ist berichtet: Mose in einer Felskluft und schaut Gott hinterher, der ihm sagt: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.“ (Vers 20 in 2.Mose 33).

Ein Blick ins Evangelium. Johannes macht zu Beginn seines Evangeliums, seines Lebensberichts von Jesus, klar: Niemand hat Gott je gesehen – außer eben Jesus, der Sohn Gottes (Kapitel 1, Vers 18).

Gottes Natur ist heilig. Die menschliche Natur ist das seit dem Sündenfall nicht mehr. Ist der Gottesmann Mose in einer ähnlichen Verwirrung gelandet wie sein Volk? Nun, er hat sich keinen Götzen gemacht. Er spricht über seine Sehnsucht mit dem HERRN, von dem er sich nicht lossagt. Auch Mose, der Mann Gottes, muss akzeptieren: Kein unheiliger Mensch kann den heiligen Gott mit seinen Augen sehen.

Die Botschaft des Neuen Testaments lautet: Jeder Mensch kann in enger Verbindung mit Gott leben. Im Evangelium begegnet Jesus, der von Gott kommt, den Menschen seiner Zeit. Auch physisch. Zum Anfassen. 

Ein Wort von Jesus aus dem Johannesevangelium, Kapitel 6: „Nicht, dass jemand den Vater gesehen hätte; nur der, der von Gott ist, der hat den Vater gesehen.“ (Johannesevangelium 6,46

Auch mein Glaube steht vor dieser Grenze. Ich lese im Evangelium von Augenzeugen, die Jesus in dieser Welt erlebt haben. In anderen Büchern von Menschen, die ihn heute erleben. Aber Jesus ist heute im Himmel. Ich kann ihn nicht sehen. 

Vielleicht aber erkenne ich ihn mit den „erleuchteten Augen des Herzens“ (Epheser 1,18), von denen Paulus in einem seiner Briefe schreibt. Mit den Blicken meiner Herzensaugen kann ich Gottes Fußspuren in dieser Welt erkennen – und manchmal einen ahnungsvollen Blick erhaschen auf sein kommendes Reich.

Autor/-in: Ingrid Heinzelmaier