22.08.2023 / Wort zum Tag

Wenn Gott prüft

Der HERR, euer Gott, versucht euch, um zu erfahren, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieb habt.

5. Mose 13,4

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Vor einigen Jahren gab es einen Theologenstreit im ERF. Ursache war die Bitte aus dem Vaterunser: „Und führe uns nicht in Versuchung.“ Einige Experten wollten herausgefunden haben, dass es im Aramäischen, in der Sprache also, in der Jesus dieses Gebet zum ersten Mal formuliert hat, anders geheißen habe, nämlich: „Und führe uns, dass wir nicht in Versuchung fallen.“ Schließlich könne Gott ja niemals der Versucher sein, das wäre schließlich sein Gegenspieler, der Teufel. Ich gebe zu: Ich hatte gewisse Sympathien für diese Version. Aber in allen gängigen Übersetzungen der Bibel steht es seit Jahrhunderten so: Führe uns nicht in Versuchung. Und schließlich, so füge ich heute hinzu, tritt Gott auch im Alten Testament schon zuweilen als derjenige auf, der seine Menschen versucht. Zum Beispiel im Losungswort der Herrnhuter Brüdergemeine von heute:

„Der Herr, euer Gott, versucht euch, um zu erfahren, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieb habt.“ (5. Mose 13, 4)

Dieses Wort liefert dann auch gleich die Erklärung mit, warum das so ist: Gott will wissen, ob seine Leute ihn wirklich liebhaben, oder ob sie das nur einfach behaupten, ob sie ihm wirklich vertrauen, oder ob das nur ein frommes Lippenbekenntnis ist.

Gott versucht. Er prüft, er testet. Manche schwierige Situation in meinem Leben hat wohl diesen Hintergrund. Solch ein Test hat immer ein offenes Ende. Heißt: Es kann schief gehen. Da tröstet das Wort aus dem Neuen Testament, das die Redaktion in Herrnhut dem heutigen Losungsvers zur Seite gestellt hat:

„Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, das ihr’s ertragen könnten.“  (1. Korinther 10,13)

Mit fällt eine Versuchungsgeschichte aus dem Alten Testament ein. Eine menschliche Versuchungsgeschichte, ja, aber sie zeigt wohl auch, worum es geht, wenn Gott Menschen prüft.

Josef, der von seinen missgünstigen Brüdern verkaufte Josef, ist in Ägypten zum zweitmächtigsten Mann aufgestiegen. Da kommen eines Tages in einer schweren Hungersnot die Brüder aus Kanaan zu ihm, weil es nur noch hier, in Ägypten, Getreide gibt. Sie erkennen Josef nicht. Wie sollten sie auch! Aber er erkennt sie. Aber noch gibt er sich ihnen nicht zu erkennen. Erst will er wissen, ob sie noch immer die Halunken von einst sind. Dafür unterzieht er sie harten Tests, harten Prüfungen, die auf den ersten Blick brutal erscheinen und nach Rache aussehen, aber es ist Liebe. Josef will wissen, ob sie sich geändert haben. Am Ende ist er genau davon überzeugt: Ja, meine Brüder sind anders geworden. Ehrlich. Solidarisch. Sie stehen füreinander ein. Sie setzen sogar ihr eigenes Leben aufs Spiel, um ihren Jüngsten, Benjamin, den leiblichen Bruder von Josef, zu schützen. Sie bereuen das Unrecht, dass sie damals begangen haben. Und endlich, endlich wird das große Fest der Versöhnung gefeiert.

Ohne die harten Tests wäre für Josef wohl immer ein Rest Zweifel und Misstrauen geblieben. Und die Brüder hätten sich nicht bewähren können. Bestandene Prüfungen machen stärker und krisenfester. Auch Beziehungen.

Vielleicht haben die vielen Katastrophen, die unsere Welt in den letzten Jahren heimsuchen, und die kleinen und großen Katastrophen unseres Lebens auch hier ihre Ursache. Gott will uns dadurch, ja, heim-suchen. Nach Hause locken. Immer neu. Unser Herz verändern. Uns widerstandsfähiger machen und unsere Beziehung zu ihm festigen.

Autor/-in: Jürgen Werth