25.10.2018 / Wort zum Tag

Welchen Worten gebe ich Raum?

Maria behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.

Lukas 2,19

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Dieser Vers ist dem Schluss der Weihnachtsgeschichte entnommen. Vielleicht ist es gut, ihn mal abseits des großen Festes zu hören. Dann fällt auf: Maria tut in dieser besonderen Nacht zweierlei:

1. Maria behält diese Worte

Zwar sind es die Worte der Hirten. Aber sie haben die Worte der Engel weitergegeben. Diese Worte will sie sich merken. Maria hätte auch andere Worte behalten können. Den Befehl des Kaisers z.B.: „Alle müssen sich auf den Weg machen und in Steuerlisten eintragen lassen.“

Solch ein Aufwand, nur damit bei den Mächtigen die Kohle stimmt. Oder sie hätte den Worten der Wirte Raum geben können „Hier ist kein Platz für euch.“ Maria wählt aus. Sie lässt bestimmte Worte hinter sich. Sie lässt nicht zu, dass diese Worte Raum in ihrem Herzen ausfüllen. Gerade so viel, dass sie aufbricht und weiterzieht. Worte, zum Verbrauch bestimmt. Aber zum Bewahren sind sie nicht geeignet.

Meine Frage ist: Welche Worte behalten Sie? Was prägen Sie sich ein? Kraftworte oder Streitworte? Worte, die Sie einmal sehr verletzt haben? Wie schmerzlich kann sich ein Wort in ein Leben einschneiden. Immer wieder erinnern sich Menschen: Damals, vor Jahren, ist mir das gesagt worden. Und es hat eine Mächtigkeit bekommen in meinem Leben. Manche Menschen tragen gerade bittere Worte sehr lange mit sich herum und können sie nicht vergessen.

Es gibt aber auch andere Worte, die uns erreichen und die wir behalten und bewegen können. Z.B. den Konfirmationsspruch oder den Trauspruch. Bei den Diakonissen nicht nur meines Mutterhauses ist das einfach. Sie tragen an einer Kette ein Kreuz mit ihrem Einsegnungsspruch. So haben sie ihn immer bei sich. Mit Konfirmationssprüchen ist das anders. Die Konfirmation liegt bei den meisten lange zurück. Da gibt es eine Urkunde, die Sie irgendwo aufbewahren. Wissen Sie Ihren noch? Oder Ihren Trauspruch vielleicht? –  Aber vielleicht sind einige von Ihnen gar nicht konfirmiert worden. Das soll jetzt ja auch kein Examen sein. Es geht um die Frage: Welche Worte bewahren Sie? Manche Worte vergisst man nicht. Aber welche sind das? Und welche Worte wollen Sie sich einprägen? Aufbauende, tröstende oder negative, verletzende?

Maria behielt alles, was die Hirten ihr erzählten. Und nicht nur das: 

2. Maria bewegt alle diese Worte.

D.h. sie bewahrt sie nicht nur auf wie Christbaumschmuck von früher. Sie bewegt sie. Sie geht damit um. Sie denkt darüber nach. Sie gibt diesen Worten Raum in ihrem Herzen und in ihrer Seele. Martin Luther hat einmal gesagt: Die Bibel ist ein Kräutlein; je mehr du es reibst, desto mehr duftet es. Genau das macht Maria. Und ich kann von ihr lernen. Es macht einen Unterschied, ob ich zwischen einem Schluck Kaffee und einem Bissen Frühstücksbrot in die Losung hineinsehe, oder ob ich mir Zeit nehme und innehalte. Erst dann kann ich das gelesene Wort in Beziehung zu meinem Tag und meinem Tagewerk bringen. Erst dann kann das Wort Gottes seine Kraft in meinem Leben - und auch in Ihrem - entfalten. Ja, es kann zu einem Steuer werden, das das Leben steuert. Vielleicht geschieht das gerade jetzt, indem Sie zuhören.

Autor/-in: Pfarrer i.R. Manfred Schultzki