06.08.2023 / Wort zum Tag

Was war zuerst da: Henne oder Ei?

Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.

Psalm 22,5

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Vielleicht kennen Sie diesen leicht unsinnigen und doch so philosophisch klingenden Satz:

„Was war zuerst da? Henne oder Ei?“

Was dahinter steckt, ist ja eine durchaus ernste Frage: Was ist eigentlich die Folge von was?

 Psalm 22 weckt in Ihnen vielleicht auch einen ähnlichen Gedankengang.

Da lesen wir in Vers 5: „Unsere Väter hofften auf Dich, und da sie hofften, halfst Du ihnen heraus“

Vom deutschen Text her kann ich es zunächst so verstehen: Wenn wir nur genug hoffen, dann hilft uns Gott! Aber ist das wirklich die korrekte Lesart? Was war zuerst da? Die Hoffnung, oder das Helfen aus dem dann wieder Hoffnung auf Hilfe erwächst?

Denn hoffen werde ich doch nur, wenn ich einen Grund dazu habe, der aus einer Erfahrung, aus einem Erleben und Wissen kommt. So einfach ins Blinde hinein wird wohl kaum jemand wirklich hoffen. Irgendwo ist da schon ein Wissen hinter der Hoffnung, dass diese nicht vergeblich ist. Nicht umsonst ist hier auch von „den Vorfahren“ die Rede – die uns das hoffentlich erzählt haben, was sie mit diesem Gott erlebt haben, wie ihre Hoffnung eben nicht vergeblich war, sondern immer eine Reaktion von Seiten Gottes mit sich gebracht hat.

Die Züricher Bibelübersetzung gibt den Vers so wieder: „Auf Dich vertrauten unsere Vorfahren; sie vertrauten und du hast sie befreit!“

Klingt schon weniger nach einem Handel mit Gott als nach dem Motto: Nur wenn ich genug vertraue, dann hilft mir Gott!

Nun ist im Hebräischen dieses Miniwort „und“ nur ein Buchstabe und der kann dazu noch sehr tricky sein. In einem Wörterbuch umfasst dieses Wort eine ganze Seite an Erklärungen.

Wenn ich mir dann den Restpsalm anschaue, erlebe ich einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen, Hoffen, Vertrauen, zu Gott rufen einerseits und der Reaktion Gottes auf der anderen Seite. Ganz eng hängt das zusammen mit dem, was davor und danach steht.

Das Vertrauen auf unseren Gott und sein hilfreiches Handeln stehen in einem untrennbaren Zusammenhang.

Ähnlich wie eben auch bei der berühmten allerersten Henne und dem davor gelegten Ei aus dem sie geschlüpft war - von Henne - „Null“? ...

Ich kann den Psalmvers auch so wiedergeben:

„Unsere Vorfahren vertrauten Gott, weil er ihnen half - und weil sie ihm aus diesem Wissen heraus vertrauten, erlebten sie immer wieder, dass er ihnen wieder half!“

Und das Großartige an diesem Satz ist, dass er nicht nur für die Altvorderen galt, auf die wir vielleicht leicht neidisch zurückschauen:

„Ja damals, in den guten alten Zeiten, da gab es das noch...“

Nein, Gott ist immer noch derselbe. Was für unsere Vorfahren galt, gilt uns und auch unseren Nachfahren weiterhin: „Gott hilft uns!“

Aber jetzt muss ich doch noch auf dieses etwas flache Wort eingehen: „Helfen“.

Im hebräischen Grundtext steht hier ein Wort, das kann in unserem Zusammenhang heißen:

Gott rettet uns vor Schaden oder Unheil, er nimmt uns von einem für uns schädlichen Platz weg. Innerlich wie äußerlich hilft er uns zu entkommen, wo wir keinen Ausweg haben. Er erlöst uns aus schwierigen Situationen und gibt uns Sicherheit.

Und das werden wir erleben, weil wir auf ihn hoffen, oder wie es eben auch heißen kann: Weil wir uns auf ihn verlassen, ihm vertrauen.

Das auszuprobieren wäre doch mal was für heute, oder?

Autor/-in: Pfarrer Ulrich Nellen