22.05.2022 / Wort zum Tag

„Was ist in der Tube drin?“

Ich will sie durchs Feuer gehen lassen und läutern, wie man Silber läutert, und prüfen, wie man Gold prüft. Dann werden sie meinen Namen anrufen, und ich will sie erhören.

Sacharja 13,9

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

Im vorletzten Kapitel des Propheten Sacharja ist die Rede davon, dass 2/3 der Einwohner im Land sterben werden, und das letzte Drittel wird durch schwere Zeiten gehen. Und von denen sagt Gott: Ich will sie durchs Feuer gehen lassen und läutern, wie man Silber läutert, und prüfen, wie man Gold prüft. – ja, und dann: wird dann aussortiert? Wer die Probe nicht besteht, der kommt weg? Wozu dieses Läutern und Prüfen?

Nein, Gott sagt: Dann werden sie meinen Namen anrufen und ich will sie erhören…

Gott will Beziehung: „In der Not werden sie an mich denken, und dann rufen sie mich an, und wir kommen ins Gespräch, meine Menschen und ich.“ Gott will mit uns zusammen sein; nicht zuerst, dass wir richtig gute Werkzeuge für ihn werden…

Läutern, wie man Silber läutert, und prüfen, wie man Gold prüft – meint er mit Silber und Gold uns, seine Geschöpfe, sind wir für ihn also ganz kostbare Elemente?

Läutern und prüfen – so wie man eine Tube Zahnpasta vor sich hat, und man öffnet die Verschlusskappe und drückt drauf, und – o weh – da kommt ja Senf raus! Nicht das, was draufsteht, sondern was anderes! Es soll doch drin sein, was draufsteht!

Ob Gott manchmal so prüft, dass er draufdrückt – ich gerate unter Druck, und dann merke ich, was wirklich in mir ist? Manchmal drücken auch andere drauf – und erschrecken; „Christ“ steht drauf, aber was ist denn da drin???

Da war der Abend vor Karfreitag, ich war so müde vom Tag – Gottesdienst im Kindergarten, im Pflegeheim, Beerdigung auch noch – und jetzt: am nächsten Tag wieder zwei Gottesdienste. Ich sitze am Computer, versunken ins Schreiben – und: die Kiste fängt an zu spinnen, sie speichert nicht mehr ab… Ich sitze da und bin richtig verzweifelt: jetzt muss ich das Letzte nochmal schreiben, und ich bin schon so müde, es ist schon so spät, und ich stöhne vorwurfsvoll „Ich habe alles gegeben, Herr, jetzt auch das noch!“ Und dann muss ich doch ein bisschen lächeln: „Nein: nur Jesus hat alles gegeben, ich habe nur Zeit und Mühe und Liebe gegeben, aber nicht meinen Leib, den hab‘ ich noch…“ Und dann fange ich an zu danken! Und dann lief es auch ganz gut.

Ja, unter Druck hat sich gezeigt, was in mir war: Vorwurf, Anspruchshaltung, Gott hat das gefälligst zu belohnen, was ich ihm übers Maß hinaus gebe… War das so was wie Läutern und Prüfen?

Nicht, um auszusortieren! Sondern um zu reinigen! Das richtige Ziel erreichen; es geht um ihn und nicht um mich, wieviel ich gebe, wie sehr er mir dankbar sein muss… Ich war beschämt und dann auch sehr froh: Nein, Jesus gab viel mehr – er hat sein Leben für mich, für uns gegeben!

Und danach lässt er mich nicht los, sondern er geht weiter mit mir, sorgt weiter für mein Leben:

Bei Sacharja steht nicht: „Prüfe und läutere du dich – damit du immer besser wirst, nicht nur Mittelmaß, nein: Selbstoptimierung! Du kannst mehr aus dir herausholen, zu deiner vollen Größe gelangen, wenn du an dir arbeitest: Den Körper stylen, Fitness, beruflich vorankommen, das Haus verschönern, und auch an deinem Charakter arbeiten…!

Ja, auch ich versuche, besser zu werden, Fehler auszumerzen; und manchmal bin ich nur am Schimpfen über mich „immer wieder dieselben Fehler, wann lerne ich es endlich – „nein“ zu sagen, ordentlicher zu werden, mehr zu planen, eher fertig zu werden…“ Und der innere Friede ist hin. Nein, Gott will läutern und reinigen. Und ER hat vermutlich auch die bessere Übersicht, was anders werden könnte. Das tröstet mich heute!

Autor/-in: Pfarrerin Renate Schmidt