05.11.2021 / Wort zum Tag

Was ist gut, was ist böse?

Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen!

Jesaja 5,20

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Was ist gut? Was ist böse? - Im Grundsatz ist die Antwort auf diese Fragen leicht: Gut ist, was das Leben schützt und fördert, was seiner Entfaltung dient. Böse ist, was Leben unterdrückt und kaputt macht.

Die meisten Menschen wollen gut sein. Sie bemühen sich, mit ihren Angehörigen und Freunden liebevoll umzugehen, um deren Leben zu fördern und zu schützen. Viele praktizieren Nächstenliebe darüber hinaus in der Gesellschaft: Sie setzen sich für Menschen ein, die nicht allein klarkommen. Sie besuchen Alte, die zu vereinsamen drohen. Sie verteilen bei einer Tafel Lebensmittel an Bedürftige. Oder sie begleiten Flüchtlinge, damit diese sich integrieren können, damit sie Freunde finden, unsere Sprache und einen Beruf erlernen.

Gute Sache, oder? – Doch einige stört solches Engagement. Vielleicht weckt es ihr schlechtes Gewissen, weil sie selbst nicht mit anpacken. Vielleicht finden sie, dass die Hilfsbedürftigen die Hilfe nicht verdient haben. Vielleicht meinen sie, es sei normal, wenn die Starken sich durchsetzen und die Schwachen hinten runterfallen, und man solle das hinnehmen.

Und manchmal nennen diese Leute dann die engagiert Helfenden „Gutmenschen“. Ein „guter Mensch“ sein ist ja etwas Positives, aber „Gutmensch“ wird als abfälliger Ausdruck gebraucht. Man unterstellt den Helfenden damit, sie seien naiv. Sie meinten es vielleicht gut, aber sie bewirkten nichts Gutes, weil man den Bedürftigen letztlich nicht helfen könne oder diese ihre Helfer nur ausnützten.

Mit dem Wort „Gutmensch“ Gutes tun verächtlich machen – das ist ein Beispiel für eine Redeweise, die Jesaja kritisiert. „Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen!“ (Jes 5,20) Dem Propheten war bewusst: Man kann einem Menschen ein und dasselbe Verhalten mit ganz verschiedenen Worten beschreiben. Die Worte wecken im Kopf des Zuhörers Bilder und Gefühle. Wenn es positive Bilder sind, findet er das Verhalten eher gut. Wenn die Worte negative Gefühle in ihm auslösen, ist er eher geneigt, es abzuwerten. Wenn man es ganz geschickt macht, erscheint dem Zuhörer eine gute Tat problematisch. Oder man gaukelt ihm vor, dass etwas Böses gut sei oder jedenfalls akzeptabel.

Die Nationalsozialisten töteten behinderte und seelisch kranke Menschen. Sie nannten es „Euthanasie“. Dieses Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „guter Tod“. So sollte das Verbrechen heißen, das nichts anderes war als Massenmord. Ein besonders krasses Beispiel dafür, Böses gut zu nennen.

„Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen!“ Nehmen wir den Weheruf des Propheten als Warnung Gottes ernst. Die Sprache hat eine große Macht, Menschen zu beeinflussen. Seien wir achtsam, wenn wir über unser eigenes Verhalten und das anderer Menschen sprechen. Wählen wir unsere Worte mit Bedacht. Hüten wir uns davor, mit unseren Worten die Wertmaßstäbe Gottes durcheinander zu bringen. Unterlassen wir es, schlechte Taten mit dem Mäntelchen geschickter Formulierungen gutzureden. Wehren wir uns, wenn jemand Taten der Nächstenliebe verächtlich macht, z. B. wenn er uns als „Gutmensch“ verunglimpft. Wie wäre es mit der Antwort: „Ja, ich stehe dazu: Ich will Gutes tun. Hast du etwas dagegen?“

Autor/-in: Pastor Martin Knapmeyer