13.06.2022 / Wort zum Tag

Was heißt hier „gerecht“?

Erhöre uns nach der wunderbaren Gerechtigkeit, Gott, unser Heil.

Psalm 65,6

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Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Gerechtigkeit“ hören?
An Recht und Unrecht? An richtig und falsch? An schuldig oder Freispruch?

Woran mag David gedacht haben, als er im Psalm 65 schrieb:
„Erhöre uns nach der wunderbaren Gerechtigkeit, Gott, unser Heil, der du bist die Zuversicht aller auf Erden und fern am Meer.“

Ich war überrascht, als unser Pastor in einer Bibelstunde erklärte: Die Menschen zu der Zeit, als David lebte, verbanden etwas anderes mit dem Wort Gerechtigkeit als wir heute. Für sie war Gerechtigkeit ein Verhalten, das der Gemeinschaft dient.
Kennen Sie die Geschichten von König Saul, der David immer wieder nach dem Leben trachtet? In einer Situation dreht sich der Spieß um: Saul ist in der Gewalt von David. David hätte ihn umbringen können, sich rächen können für alles, was Saul ihm schon angetan hat. Aber er verschont ihn. Und Saul bekennt: „Du bist gerechter als ich, du hast mir Gutes erwiesen, ich aber habe dir Böses erwiesen.“ (1. Sam. 24,18) Der Mensch ist nicht dann gerecht, wenn er jemand anderen für seine Fehler bestraft, sondern er ist gerecht, wenn er ihm Gutes tut.

So war auch das Verständnis von Gottes Gerechtigkeit. Wenn Gott gerecht ist, dann geht es ihm nicht darum, dass er darauf schaut, was Menschen falsch gemacht haben und dass er sie dafür bestraft. Sondern Gott ist gerecht, wo er Gutes für die Menschen bewirkt. Martin Buber gibt in seiner jüdischen Bibelübersetzung die Gerechtigkeit Gottes mit dem Wort „Huld“ wieder. Das Wort „Huld“ ist etwas altmodisch und wird heute nicht mehr oft gebraucht. Aber vielleicht spüren wir noch, dass darin Worte wie zugewandt, wohlwollend, treu und gnädig mitschwingen. In seiner Huld, in seiner Gnade wendet sich Gott dem Menschen zu und ist für ihn da. „Erhöre uns nach der wunderbaren Gerechtigkeit, Gott, unser Heil, der du bist die Zuversicht aller auf Erden und fern am Meer.“

In Psalm 65 geht es bei Gottes Gerechtigkeit nicht um Recht und Unrecht, um richtig und falsch, um schuldig oder Freispruch. Bei Gottes Gerechtigkeit geht es darum, dass er sich uns zuwendet, um uns Gutes zu tun. Darum können wir unsere Zuversicht auf ihn richten. Darum können wir ihm vertrauen.

Wie wunderbar ist es, einen Gott zu haben, der in dieser Weise gerecht ist! 

Autor/-in: Dorothee Döbler