26.12.2018 / Wort zum Tag

Warten wird belohnt

Simeon nahm das Kind Jesus auf seine Arme und lobte Gott und sprach: Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.

Lukas 2,28–30

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Israel wartete schon seit langem auf den Messias. Einem aus dem Volk, Simeon, war vom Heiligen Geist gesagt worden, dass er das Kommen des Erwarteten erleben würde. Wann das sein würde, wusste Simeon nicht. Wie lange wartete er schon? Wann endlich würde Gott sein Versprechen einlösen? Simeons Geduld wird auf die Probe gestellt. Dann aber, eines Tages weiß er: jetzt ist es soweit! Er sieht sich in den Tempel geführt. Unter den vielen Tempelbesuchern entdeckt er ein schlichtes Paar mit einem Baby. Ihm wird bewusst: „Dieses kleine Kind, das ist der Erwartete“. Glücklich und dankbar nimmt er den Säugling in seine Arme. Er zweifelt keinen Augenblick, dass es sich um den handelt, der ihm angekündigt worden war.

Was Simeon nicht wusste: die Geburt dieses Kindes hatte ein Bote aus der unsichtbaren Welt Gottes, ein Engel, angekündigt (Lukas 1,30). Jetzt, nach der Geburt, kommt erneut eine Nachricht aus der unsichtbaren Welt Gottes. Sie erreicht ihn, den alten, frommen Mann. Was mag in Simeon vorgegangen sein? Ich kann es nur erahnen. Sicher war ihm bewusst, etwas ganz Besonderes zu erleben. Darum sagt er: „Ich habe das Heil gesehen (Luther spricht vom Heiland), das der Welt Frieden bringen wird.“ Niemand sonst unter den Tempelbesuchern erkennt, was der alte Mann sieht. Sein Glaube ist stark. Er zweifelt nicht. Überwältigt von dem Erleben ist er bereit, von dieser Welt zu scheiden: „Nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren.“

Einer, der – ähnlich wie Simeon - in unmittelbarer Verbindung mit dem Höchsten stand, war der aus Württemberg stammende Johann Friedrich Flattich (1713-1797). Er war wegen seiner Lebensführung und seiner anerkannten Arbeit als Pfarrer und Pädagoge hoch geachtet. Seine bevorzugten Erziehungsmittel waren: viel Liebe, viel Geduld und treues Gebet. Seine altersbedingte Krankheit machte ihm zu schaffen. Schon todkrank bezeugt er einem seiner Betreuer:  „Jetzt kann ich mit Simeon sagen: Nun lässt du deinen Diener im Frieden fahren.“ Er erfuhr, was in unserer Tagen der Theologe Fritz Rienecker so ausdrückte: „Die Hoffnung der Zukunft ist die Kraft der Gegenwart. Das Schönste kommt noch!“

Am 25.Dezember 1928 verstarb Mathilde Wrede. Kurz vor dem Fest sagte sie zu einer Freundin mit großer Bestimmtheit: „Ich fühle, dass ich den Christustag in den ewigen Welten feiern werde.“ Dann schaut sie mit ernstem Blick in die  Ferne und fügt hinzu: „Man kann sich gar nicht vorstellen, wie es an der Grenze des Lebens ist, bis man selbst davor steht. So wunderbar und so gewaltig ist es. Und siehst du, ich habe auch so merkwürdige Augen bekommen. Ich sehe von der anderen Seite her wunderbares Licht entgegen strahlen, und ich schaue weite, weite Gefilde – weite Gefilde und viel Licht. Nur Licht!“ Die neben ihr sitzende Freundin fragt: „Kommt das Licht näher?“- Mathilde Wrede lächelt ihr strahlendes Lächeln und antwortet: „Nein, denn es ist ja da!“ Und voll Freude fährt sie fort: „Heute Nacht gehe ich über die Grenze... O, wie  freue ich mich, dass ich ewig leben werde - ich, die alte Mathilde Wrede, lebe in Ewigkeit.“ - Als die Freundin am nächsten Morgen, dem Weihnachtsmorgen, an ihr Lager trat, war Mathilde entschlafen. In der Christnacht, der stillen Heilige Nacht, war sie über die große Grenze ins Licht gegangen, wie sie es vorausgeahnt hatte.

Vom Licht hatte auch Simeon gesprochen, als er in seinem Gebet vom Heiland sagte, dass er ein Licht sei, zu erleuchten die Heiden (Luk 2,32).

Autor/-in: Horst Marquardt