30.12.2023 / Wort zum Tag

Vorfahrt für Gott

Josef sprach zur Frau des Potifar, die ihn verführen wollte: Wie könnte ich ein so großes Unrecht begehen und gegen Gott sündigen?

1. Mose 39,9

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

„Josef sprach zu der Frau des Potifar, die ihn verführen wollte: Wie könnte ich ein so großes Unrecht begehen und gegen Gott sündigen?“

Josef mag als Kind die Geschichten gehört haben, die sein Urgroßvater Abraham erlebt hat. Wie er auf Gottes Ruf hin aus seiner Heimat aufgebrochen ist. Wie er Gottes Versprechen vertraut hat: Ich will dich zum großen Volk machen und dir dies Land geben. Das muss großen Eindruck auf Josef gemacht haben. Gott hat sein Versprechen gehalten. Abraham und Sarah hatten ja tatsächlich - nach langer Wartezeit und menschlichen Irrungen und Wirrungen - einen Sohn bekommen: seinen Großvater Isaak. Sie waren immer mehr geworden und hatten Gottes Fürsorge immer wieder erlebt. Eindrücklich waren auch die Geschichten, die sein Vater Jakob zu erzählen hatte: Wie Gott ihm geholfen hatte, als er vor seinem Bruder Esau geflohen ist, wie es später doch wieder zur Versöhnung kam.

In all seiner Bedrängnis, in seiner Verlassenheit, verkauft von den eigenen Brüdern, in all den inneren Kämpfen mit der Wut auf die Brüder, die ihm so etwas antun konnten, dem Schmerz, so verstoßen und missachtet zu werden, der Sehnsucht nach dem Vater, nach zu Hause, in all dem müssen die Geschichten, die sein Urgroßvater und sein Vater erlebt hatten, ihm Kraft gegeben haben, durchzuhalten, sich nicht aufzugeben. Gott hält sein Versprechen, auch wenn Vieles dagegen zu sprechen scheint. Und Josef hatte ja nicht nur diese Geschichten, er hatte auch seine eigene Beziehung zu Gott, er hatte manchmal besondere Träume, in denen Gott ihm Dinge zeigte. Er hatte sein ganz eigenes persönliches Verhältnis zu seinem Gott. Und das hielt ihn aufrecht.

Das war auch in dieser Situation mit der Frau seines Herrn und Arbeitgebers sein Rettungsanker. Er spürte und wusste: meine Beziehung zu meinem Gott wird sich trüben, wenn ich hier nachgebe.

Ob Josef auch die Geschichte mit Sarah und dem Pharao erfahren hatte? Und die unrühmliche Rolle, die Abraham dabei gespielt hatte? Vielleicht war der Schmerz seiner Urgroßmutter, dass ihr Mann nicht zu ihr gehalten hatte, als bitterer Beigeschmack in den alten Geschichten hängen geblieben? Auch das mag Josef in den Sinn gekommen sein.

Ob es für ihn schwer war, ob er selber sich auch zu Frau Potifar hingezogen fühlte, wird nicht berichtet. Ob es vielleicht verlockend war, von jemandem bevorzugt zu werden, nach allem, was er durchgemacht hatte? Ob es ihn vielleicht einen inneren Kampf gekostet hat? Mag sein. Auf jeden Fall war ihm eines wichtiger als alles andere: immer mit Gott im Gespräch zu bleiben. Mit Gott, der sein Versprechen hält.

Autor/-in: Pfarrerin Christine Weidner