12.08.2024 / Bibel heute

Von unreinen Händen und Herzen

Und es versammelten sich bei ihm die Pharisäer und einige von den Schriftgelehrten, die aus Jerusalem gekommen waren. Und sie sahen, dass einige seiner Jünger mit unreinen, das heißt ungewaschenen Händen das Brot aßen. Denn die Pharisäer und alle Juden essen nicht, wenn sie nicht die Hände mit einer Handvoll Wasser gewaschen haben, und halten so an der Überlieferung der Ältesten* fest;[...]

Markus 7,1–23

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Käthe

Heute möchte ich mit einer Geschichte beginnen, die vermeintlich erst einmal nichts mit unserem Text zu tun hat. Es geht um Käthe, eine junge Frau, mit der ich in den ersten Jahren gemeinsam studiert habe. Käthe war sehr redselig, trug ihr Herz auf der Zunge und viele von uns Studienanfängern fanden es sehr anstrengend, länger mit ihr zusammen zu sein. Ihr passierten immer wieder unschöne Dinge, an denen sie jedoch meist nicht ganz unschuldig war. Wenn uns nichts anderes einfiel, redeten wir über Käthe. Sie war schon ziemlich seltsam und wurde es im Laufe der Zeit immer mehr. Einige Zeit hatte ich gar nichts mehr mit ihr zu tun, sie begegnete mir in meinem Studentenleben nicht mehr, jedoch erzählte mir der ein oder andere immer einmal wieder eine Story von ihr. Meist war es haarsträubend, lustig oder einfach nur „Oh, wie kann man nur!“ Oft haben wir über Käthe gesprochen und so hatte bald jede und jeder von uns ein ganz eigenes Bild von ihr. Tollpatschig, leicht überspannt, schusselig und etwas sehr verrückt, so dass ihr einfach immer dumme Sachen passierten.

Käthe, wie sie vielleicht wirklich war, tauchte gar nicht mehr bei uns auf. Wir hatten alle ein festgelegtes Bild und bestärkten uns durch verschiedene Geschichten über sie in diesem einmal entstandenen Bild. Sicherlich wurde dieses Bild an einigen Stellen auch noch überzeichnet, denn die ein oder andere Ausschmückung machte so manche Geschichte noch interessanter. So hatten wir alle nach einiger Zeit ein Bild von Käthe, welches wir uns gegenseitig immer wieder bestätigten. Aber war sie das wirklich noch?

Nach einigen Semestern begab es sich, dass Käthe und ich allein auf eine mehrstündige Autofahrt gingen – wir mussten irgendwohin und nur wir beide blieben übrig, als alle Autos eingeteilt waren. Also fuhren wir los und Käthe redete, wie nicht anders zu erwarten, ohne Punkt und Komma. Manchmal stellte ich eine Rückfrage und verstand plötzlich einiges besser. Ich stellte fest, Käthe ist ganz anders als das Bild, welches ich mir während mehrerer Jahre über sie gemacht hatte. Ich habe ihr nach einiger Zeit des über sie Redens unabsichtlich gar nicht mehr die Chance gegeben, bei mir so aufzutauchen, wie sie wirklich ist. Ich habe durch die Brillen anderer geschaut und mir deren Meinung zu eigen gemacht. Dem Menschen Käthe begegnete ich nicht mehr, ich übernahm falsche Bilder von anderen.

Kurze Pause!

Gibt es da Parallelen zu meinem Glauben?

Rede ich oft und viel mit anderen Menschen über Gott? – Das ist ja erst einmal super. Aber gebe ich Gott dabei noch die Chance, bei mir so aufzutauchen, wie er wirklich ist?

„Diese Menschen ehren mich mit ihren Worten, aber nicht mit ihrem Herzen. Ihre Anbetung ist nutzlos, denn sie ersetzen die Gebote Gottes durch ihre eigenen Lehren.“ (Vers 7)

Wo passiert mir das? Wo habe ich mein Glaubensgedankengebäude schon fertig gebaut und Gott würde da irgendwie stören, wenn ich Teile von meinem vertrauten Gedankengebäude wieder einreißen müsste. Es ist doch so schön stimmig, gibt mir Erklärungen und Halt, Richtung bei komplizierten Fragen und Problemen.

Was sind da eigene Gedanken und übernommene Lehren? Was ist tatsächlich Gott? Wo habe ich unhinterfragt einfach Dinge übernommen und gleiche sie nicht mehr mit dem Gott ab, den ich in der Bibel finde?

Bin ich noch wirklich offen für Gottes Wort und sein Reden oder bin ich schon viel zu festgefahren in meiner Meinung über Gott? In dem Regelwerk, welches ich mir im Laufe meines Lebens erstellt habe? In dem Glauben, den ich von meiner Gemeinde, meinem Lieblingspastor übernommen habe?

Der ganz Andere

Karl Barth hat einmal gesagt, Gott ist der „Ganz Andere“. Hätte Gott bei mir die Chance, wirklich ganz anders zu sein? Anders als alles, was ich bisher geglaubt und von anderen übernommen habe? Oder habe ich ein so festgelegtes Bild von Gott, dass er mich gar nicht mehr überraschen kann?

Wir sollen uns kein Bildnis machen ist eines der 10 Gebote. Vermutlich hat keiner von uns ein gemaltes Bild von Gott bei sich im Wohnzimmer hängen. Doch in unseren Köpfen finden sich ganz viele Bilder, viele Leitsätze, Dogmen über Gott und den Glauben … Hinterfragen wir diese immer einmal wieder? Hat Gott bei uns Raum anders - der ganz Andere - zu sein? Oder missachten wir, wie die im Bibeltext angesprochenen Pharisäer, Gottes Gebote und setzen an ihre Stelle eigene Vorschriften und Ideen?

Wo verurteilen wir Menschen, weil sie nicht in unser Glaubensgebäude passen? Würde Jesus anders mit ihnen umgehen?

Lassen Sie uns offen sein und bleiben für Gott, der vielleicht ganz anders ist, als wir ihn uns vorstellen. Stehen wir uns nicht selbst im Weg, wenn es darum geht, Gott wirklich zu begegnen? Auch hier gibt es kein richtig oder falsch, ich kann Gott nahekommen, wenn ich eine Bachkantate höre oder im Wald alleine spazieren gehe. Gott begegnet mir vielleicht wenn ich ausführlich in der Bibel studiere, eine gute Predigt höre, intensiv und mit viel Zeit bete oder meine Arme im Lobpreis zu ihm erhebe. Jeder Mensch ist anders und Gott begegnet auch jedem Menschen auf seine Weise. Seien wir offen, welcher Weg da für uns der richtige ist. Trauen wir uns, uns von Gott überraschen zu lassen, denn er ist viel größer als die Gedankengebäude, die wir uns von oder über ihn machen.

Kurze Pause

Wenn ich im Text weiterlese, finde ich ganz vernünftige Hygieneregeln und denke nur: „Klar, die Hände vor dem Essen zu waschen und das Geschirr, von dem gegessen wird, abzuwaschen, das sind Dinge, an die sich in der heutigen Zeit fast jeder hält, das hat gar nichts Religiöses mehr.“

Anders sieht es mit Ernährungstipps aus. Nahrungsvorschriften gibt es auch bei uns heute und diese werden teilweise sehr vehement vertreten: saure und basische Lebensmittel, Milch verschleimt uns, Proteine brauchen wir in großer Menge, aber mehr als ein Ei pro Woche macht krank, Acetylamid in den Pommes ist ungesund, aber dort ist der Vitamin C Gehalt auch höher als in herkömmlichen Salzkartoffeln. Salat ist gesund, essen wir zu viel davon, kann unser Nitratspiegel gefährlich steigen und Zucker ist sowieso ganz ungesund … Vieles ließe sich hier noch aufzählen. Ich habe eine Zeit lang Ernährungskurse gegeben. Es gibt die sonderbarsten Ideen, was gesund sein könnte. Vieles davon ist natürlich richtig, aber wenn wir alles einhalten wollten, dann würden wir verhungern, denn nach irgendeiner Theorie ist gefühlt alles für irgendetwas gut, andererseits aber auch schädlich und sollte vermieden werden. Wann werden Lebensregeln zu einer Ideologie und zu einem Verhaltenskorsett, das ich um seiner selbst willen befolge?

Jesus aber geht es um das, was uns verunreinigt - und das ist nicht die Nahrung, sondern das sind unsere Gedanken. Egal ob ich vegan oder mit Trennkost lebe – das hat keinen Einfluss auf meine Gottesbeziehung. Gedanken und Gefühle jedoch verunreinigen den Menschen. Mit was fülle ich nicht nur meinen Körper, sondern auch meinen Geist? Was lasse ich da in mich hinein, was prägt mich und was kommt dann irgendwann wieder heraus?  Hier müssen wir auf uns achten! Denn an Gedanken und Worten kommen ja nur Dinge heraus, die wir vorher hereingelassen haben. Welche Gedanken lasse ich zu? In welchen Kreisen bewege ich mich? Welche Medien lasse ich an mich heran und lasse mich von ihnen prägen?

Achten wir auf unsere Worte und Taten. Aber vor allem lassen Sie uns nahe zu Gott kommen. Geben wir ihm die Chance, uns wirklich zu begegnen und seien wir nicht festgelegt und in unseren Gedankengebäuden gefangen, wenn Gott an einigen Stellen ganz anders ist, als wir das bisher geglaubt haben!

Autor/-in: Silke Mack-Rymatzki