08.09.2023 / Bibel heute

Von unreinen Händen und Herzen

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Vor kurzem hat jemand in meinem privaten Umfeld festgestellt: Die Leute haben die ständigen Veränderungen satt.

Ja – dachte ich im ersten Moment, geht mir auch so! Mir fallen meistens auch gute Gründe ein, weshalb ein Festhalten am Gewohnten, an alten Traditionen, an Wahrheiten, die schon immer galten, durchaus Sinn macht oder machen kann.

Ich habe so den Eindruck, die Pharisäer in der heutigen Bibellese haben auch keine Lust auf Veränderungen. Wenn ich in die Szene vor rund 2000 Jahre eintauche, ist die Spannung mit Händen zu greifen. Es könnte alles so einfach sein. Warum halten deine Jünger die Vorschriften der Vorfahren denn nicht ein? Die handelnden Menschen sind Pharisäer und Schriftgelehrte. Menschen, die in den Lebenswelten vor 2000 Jahren von elementarer Bedeutung waren.

Sie hatten die religiöse Deutungshoheit, waren für die Auslegung und Anwendung der jüdischen Gesetze zuständig. Sie hatten einen Blick auf die Traditionen und – ganz wichtig – waren für deren Bewahrung zuständig. Sie sprachen Recht auf Grundlage des jüdischen Gesetzes. Sie lehrten das Gesetz und die religiösen Überzeugungen an Schulen oder in Synagogen. Sie waren religiöse und moralische Respektspersonen - wurden als Vorbilder geschätzt.

Vertreter dieser ganz besonderen Gruppe kommen zu Jesus und weisen auf Verfehlungen seiner Jünger hin. Das war schon ein starkes Stück! Ein Vorgang, den ich im Übrigen auch heute mit anderen Vorzeichen nur zu gut kenne. Für mich ist so ein klassisches Beispiel die Frage nach der Gottesdienst-Liturgie. Auf der einen Seite die traditionellen Texte mit liturgischen Wechselgesängen und vertrauten Liedern. Auf der anderen Seite moderner Lobpreis, mit Schlagzeug und manchmal sogar englischen Texten. Was ist die richtige Gottesdienstform? Wo ist da die Wahrheit? Wie gehen wir mit solchen Problemen um?

In unserem Text geht es zunächst um Reinheit. Für die Menschen zu Jesu Zeit waren die Reinheitsgebote von elementarer Bedeutung. Sie dienten dazu, die Heiligkeit des jüdischen Volkes sicherzustellen. Das Einhalten der Gebote war Ausdruck des Gehorsams gegenüber Gott. Sie waren exklusiv gegenüber anderen Kulturen und somit identitätsstiftend. Die Reinheitsgesetze förderten den gemeinschaftlichen Zusammenhalt und die Solidarität. Indem sie gemeinsam die Reinheitsgesetze befolgten, wurden die Menschen in der jüdischen Gemeinschaft enger verbunden und ihre religiösen Überzeugungen und Praktiken gestärkt. Das Einhalten der Gesetze stellte sicher, dass keine religiöse oder rituelle Verwässerung das große Ganze in Frage stellte. Heute reden wir gerne von Anpassen an den Zeitgeist.

Bei all dem könnte man jetzt meinen, es geht um ein Rezept zur Frage nach Traditionen und Moderne. Für mich hat der Text allerdings eine tiefere Dimension. Jesus stellt nach dem Zeitgeist-Thema fest: Dieses Volk ehrt mich mit seinen Lippen, aber im Herzen ist es weit weg von mir.

Glauben im Herzen tragen, dass ist die Spur, die Jesus hier legt.

Wenn ich mich danach frage, was es bedeutet, den Glauben im Herzen zu tragen – dann muss ich weiter fragen: Wie verändert der Glaube mein Leben? Wo wird diese Veränderung sichtbar?

An zwei Textstellen will ich diese Frage vertiefen:

Die erste lautet:

Sie wollen Blinde führen, dabei sind sie selbst blind.

Wie werde ich sehend? Was muss ich tun, um als der erkennbar zu werden, bei dem die Feststellung: Tradition versus Haltung ohne Bedeutung ist. Sehend zu sein bedeutet, die Lehren Jesu ernst zu nehmen! Da geht es ans Eingemachte!

Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. - Welch eine Zumutung! Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.

Gottes Vergebung uns gegenüber ist keine Einbahnstraße. Sehend werde ich erst dann, wenn ich auch bereit bin, meinem Nächsten zu vergeben.

Wer aber unter euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Sehend zu sein, bedeutet zu dienen. Alle diese Beispiele helfen beim Sehen, sie bedeuten ein kleines Stück Reinheit im Herzen.

Die zweite Textstelle lautet:

Was aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem Herzen. Und das ist es, was den Menschen unrein macht.

Jesus betont die Wichtigkeit des Zustands meines Herzens. Meine innere Einstellung, meine Haltung soll nach geistlicher Reinheit streben. Diese wahre Reinheit - sie kommt von innen.

Sie kommt aus einer Haltung heraus, die sich aus Liebe, Güte, Vergebung, Demut und guten Gedanken nährt.

Nicht Äußeres entscheidet! Nein, unrein macht eine innere Haltung und eben das Befinden meines Herzens. Wenn in meinem Herzen Bosheit, Machtgier, Neid, Egoismus oder andere negative Eigenschaften leiten, wird sich dies in meinen Worten und Taten zeigen und mich in letzter Konsequenz immer weiter von Gott entfremden. „Es wird jede Pflanze ausgerissen, die mein Vater im Himmel nicht gepflanzt hat“, sagt Jesus und es wirkt erstmal sehr brutal.

Ich darf und soll mich damit fragen, welche Pflanzen in meinem Herzen machen mich unrein? Was muss ich herausreißen, um mich der Reinheit, die zu Gott führt, wieder etwas anzunähern? Zugegeben, spätestens wenn der nächste nervige Zeitgenosse etwas von mir will, dann wird dies auf eine harte Probe gestellt. Und es ist auch klar, ich werde immer wieder daran scheitern. Ich werde immer wieder Pflanzen in meinem Herzen finden, die dort nichts zu suchen haben, die mich unrein machen.

Der heutige Text ist eine lebenslange Mahnung. Ich gebe ihnen dazu zwei Fragen mit, die Sie erden können. Die Sie daran erinnern können, dass es nicht um Gesetze und Traditionen geht, sondern dass es um eine Haltung geht, die ein reines Herz zumindest zum Ziel hat. Gehen sie in den Tag mit diesen beiden Fragen:

Macht mich meine aktuelle Herzenshaltung blind oder sehend für den Weg mit Jesus?

Von welchen Pflanzen in meinem Herzen muss ich mich trennen, um Gott näher zu kommen?

Autor/-in: Ralf Weidner