26.05.2020 / Wort zum Tag

Von der Raupe zum Schmetterling

Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.

Römer 12,2

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Ich staune oft darüber, wie Tiere sich verändern und erneuern können. Vögel mausern sich und bekommen ein neues, frisches Federkleid. Schlangen häuten sich, lassen ihre alte, verbrauchte Haut einfach hinter sich und haben eine neue, geschmeidige, schillernde Haut. Und am verblüffendsten sind natürlich die Schmetterlinge. Sie beginnen ihr Leben als Raupen, sie verpuppen sich, und heraus schlüpfen filigrane leuchtende Flatterwesen. Diese Verwandlung der Schmetterlinge nennen die Biologen „Metamorphose“ - das heißt „Gestaltwandel“.

Genau dieses Wort von der Metamorphose verwendet Paulus im Römerbrief, Kapitel 12, Vers 2, dort steht:

„Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“

„Ändert euch“, heißt es hier. Wörtlich: „Lasst eure Gestalt wandeln“. Aber wie soll ich als Mensch meine Gestalt wandeln wie ein Schmetterling? Ich kann äußerlich höchstens ein bisschen dicker oder dünner werden, ich kann meinen Kleiderstil ändern oder ich kann mir eine neue Frisur zulegen. Viel mehr geht bei mir da nicht. Was ich aber kann: Ich kann mein Inneres ändern, mein Denken und meine Einstellung zu den Dingen. Um dieses Innere geht es Paulus. Er sagt aber nicht, dass ich dieses Innere etwa selbst wandeln soll, indem ich prüfe, was Gottes Wille ist und so weiter, sondern dass ich mich von Gott verwandeln lassen soll, damit ich dann prüfen kann, was gut und wohlgefällig und vollkommen ist.

Das ist ein großer Unterschied. Ob ich mich selbst bemühe, durch den hundertsten Ratgeber, die tausendste Übung oder endlose Coaching-Sitzungen mein Leben zu verändern, oder ob ich mich von Gott berühren lasse und von ihm eine ganz neue Basis für mein Leben geschenkt bekomme, einen ganz neuen Boden unter den Füßen, der mir Halt gibt und der mir auch eine Richtung gibt.

So gelingt Veränderung. Es ist ein Prozess, der mein Leben lang andauern wird: meine Verwandlung von der Raupe in den Schmetterling – von einem Menschen, der in seine eigenen Ängste, Wünsche und Bedürfnisse verstrickt ist, hin zu einem Menschen, der Gottes Liebe und Versöhnung gespürt hat und der nun seine Flügel strecken und sich öffnen kann für die Welt. Und der von sich aus ein Gespür entwickelt für das, was Gott möchte: das, was gut und vollkommen ist. Und der sich darin übt, genau das in der Welt zu entdecken und mit eigenen Händen und mit aller Kraft und Kreativität zu fördern.

Ich habe so eine Ahnung, dass solche Menschen bald besonders gefragt sein werden, nun, da sich gerade so viel in der Welt ändert und wo so viele neue Wege gefunden werden müssen, um unser Leben und unseren Alltag zu organisieren. Werde ich es schaffen, in dieser gewaltigen Anstrengung das Gute und Vollkommene zu fördern? Ich darf zuversichtlich sein, dass es zumindest möglich ist. Denn es ist schließlich Gottes Wille, und deswegen wird er auch dafür sorgen, dass es die nötigen Wege gibt und dass er mir die Kraft schenkt, diese zu gehen – oder, um in dem Bild zu bleiben: dass er für den nötigen Wind unter meinen Schmetterlingsflügeln sorgt.

Autor/-in: Jutta Schierholz