30.10.2021 / Wort zum Tag

Vertrauen wagen

Ich bin der HERR, dein Arzt.

2. Mose 15,26

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

Wochenlang hatten sich Freunde bemüht, für mich einen Impftermin zu erwischen. Ende Januar dieses Jahres hatte es endlich geklappt. Um 8.30 Uhr stand ich bei eisigem Wind in der Menschenschlange. Zuerst die nötigen Formalitäten, Personalausweis, Impfausweis, Terminbestätigung. Freundliche Bundeswehr-Soldaten begleiten mich zu den Impfkabinen. Nach kurzer Zeit öffnet sich eine der Kabinentüren, vor mir steht ein junger Mann im weißen Kittel und sagt mit strahlendem Lächeln: „Ich bin Ihr Impfarzt.“

Er erklärt mir, welchen Impfstoff er nun verimpfen wird, welche Nebenwirkungen möglich sein könnten, bedankt sich für mein Vertrauen zu ihm und bittet darum, noch 30 Minuten in der Halle sitzen zu bleiben. Als ich dann in der Halle sitze, in der fast alle Stühle besetzt sind, denke ich: Weil diese Menschen Vertrauen gewagt haben, bekommen sie eine neue Sicht für ihr Lebens. Das Leben ist mehr als die letzte Gelegenheit, ich muss nicht rausholen, was geht. Das Leben, das ich nach der Impfung vor mir habe, ist mehr als eine Galgenfrist. Mit welcher Hoffnung, welcher Perspektive werden diese Menschen, die hier sitzen, die sich getraut haben, diese Halle verlassen? Wer seinem Hausarzt, Zahnarzt, oder dem Werkstattmeister seiner Autowerkstatt nicht vertraut, macht sich selber das Leben schwer. Denn: Ohne Vertrauen gelingt das Leben nicht.

Das war zu allen Zeiten so. Die Bibel berichtet, mit welch einer Waghalsigkeit das Volk Israel in Ägypten aufgebrochen war. Mit welchem Glaubensmut, mit welcher Zuversicht – raus aus der Sklaverei in die Freiheit. Vertrauen wagen. Mitnehmen konnten sie nur, was die selber tragen, transportieren konnten. Da gab es alte Menschen, die am Stock gingen und es gab Neugeborene, die in einem Korb getragen wurden. Kinder bettelten, damit sie ihren Hund mitnehmen konnten.

Das war kein Sonntagnachmittagsspaziergang, sondern es ging durch die Wüste, über Stock und Stein. Nachts kein Dach über dem Kopf. Kein Bett, kein Wasser, weder zum Waschen noch zum Trinken. Sie kamen an einen See mit nicht trinkbarem Wasser. Das war Frust total.

Da murrt das Volk wider Mose. Dem sie bis dahin vertraut hatten. Plakate tauchen auf: „Was sollen wir trinken?“ Sitzblockaden. Gehverweigerer. In Ägypten hatten wir: Fleisch, Fische, Lauch, Wasser. Hätten wir doch. Wären wir doch. Sie machen das, was Menschen in Krisensituationen ihres Lebens oft getan haben: Sie vergolden die Vergangenheit. Sie manövrieren sich in ihre Vergangenheitsfalle. Sie schauen zurück. Es sollte wieder so sein wie früher.

Wer ständig zurückschaut, verliert seine Perspektive für die Zukunft. Solche Vergangenheitsfallen machen Menschen krank. Sie resignieren. Auch Mose packt der Frust. Er ist am Ende seiner Möglichkeiten. Er hat keine Antwort, aber er schreit zu Gott. Mose möchte am liebsten die Brocken hinschmeißen, doch sein Gebet, sein Gespräch mit Gott, eröffnet ihm eine Perspektive. Gott sagt: „Ich bin der Herr, dein Arzt. Ich gebe dir Mut, Zuversicht, Heilung. Ich werde mit dir auf dem Weg deines Lebens sein. Das gilt allen Menschen.“

Damit wir uns nicht entmutigen lassen von Wegstrecken, die mühsam und schwer sind, sondern das Ziel im Blick behalten. Vertrauen wagen, weil Heilung meiner Seele möglich ist, weil Gottes Geist mir den Weg von diesem Leben zum ewigen Leben weist.

Autor/-in: Manfred Bletgen