26.05.2023 / Serviceartikel

Umgang mit Kritik

Wie ich Kritik aufnehmen und äußern kann, ohne zu verletzen.

„Der Weg des Narren erscheint in seinen eigenen Augen recht, der Weise aber hört auf Rat“ (Sprüche 12,15) – In der Bibel wird die Person als weise bezeichnet, die sich gerne Ratschläge und Kritik anhört. Konstruktive Kritik ist positiv, weil sie die Möglichkeit bietet, sich weiterzuentwickeln. Wer immer nur Lob bekommt, verpasst die Chance, eigene Fehler zu reflektieren und sich neue, gesündere Verhaltensweisen anzueignen. Dies wird in einer US-amerikanischen Redewendung zum Ausdruck gebracht: „Die meisten Menschen wollen lieber durch Lob ruiniert, als durch Kritik gerettet werden“ (US-amerikanische Redewendung).

1. Was ist Kritik?

Die Geisteswissenschaftler Rahel Jaeggi und Tilo Wesche erklären, dass Kritik immer dort stattfindet, „wo Gegebenheiten analysiert, beurteilt oder als falsch abgelehnt werden […] Immer dann, wenn es Spielräume, Deutungs- und Entscheidungsmöglichkeiten gibt, setzt sich menschliches Handeln der Kritik aus. Wo so oder anders gehandelt werden kann, kann man auch falsch oder unangemessen handeln – und entsprechend dafür kritisiert werden“.

Menschen nehmen Kritik unterschiedlich auf: Ich kann mich herausgefordert fühlen, Angst um die Beziehung bekommen, mich als Person abgewertet fühlen oder von der Kritik überhaupt nicht berührt sein und gar nicht daran denken, etwas an meinem Verhalten zu ändern.

Hier kommen ein paar Tipps zum Umgang mit Kritik:

2. Wie ich Kritik aufnehmen und darauf reagieren kann…

Es gibt eine Reihe von Reaktionen, die nicht hilfreich sind, wenn ich kritisiert werde. Dazu gehört zum Beispiel:

Um mir über Kritik eine Meinung bilden zu können, muss ich erst einmal offen dafür sein, kritisches Feedback an mich heranzulassen.

Jede dieser Reaktionen ist verständlich. Entspannt und offen mit Kritik umzugehen, fällt nie leicht, denn über eigene Fehler, Versagen oder Missverständnisse zu sprechen heißt auch, diese erst einmal anzuerkennen. Natürlich ist nicht jede Kritik berechtigt, doch um mir darüber eine Meinung bilden zu können, muss ich erst einmal offen dafür sein, kritisches Feedback an mich heranzulassen.

Um das zu fördern, kann ich folgende Verhaltensweisen üben:

Auch wenn Kritik wehtun kann, ist es wichtig, dass ich Kritik positiv sehe: als Chance oder Verbesserungsvorschlag. Das Buch der Sprüche lehrt mich, auf guten Rat zu hören und Korrektur anzunehmen, damit ich für die Zukunft weise werde (Sprüche 3,23f).

Kritik ist wichtig und kann sich positiv auswirken, weil ich aus ihr lernen kann. Um mit Kritik gut umzugehen, hilft es, wenn ich mir bewusst mache, dass es Ziel der Kritik ist, ein besseres Miteinander herbeizuführen.

3. Wie ich kritisieren kann, ohne zu verletzen

Doch was tue ich, wenn ich von jemanden verletzt wurde oder auf einen problematischen Umstand hinweisen möchte? Wenn ich Kritik äußern will, möchte ich schließlich zur Verbesserung beitragen. Wenn ich kritisiere und die Person später nur verletzt ist, habe ich nichts gewonnen. Ziel ist konstruktive Kritik für die Person, die sie annehmen kann. Dabei kann ich ein paar Dinge beachten:
 

3.1 Ich kritisiere bewusst

Wenn ich etwas zu bemängeln habe und einen Verbesserungsvorschlag habe, erhöhe ich meine Chancen, dass meine Kritik auf „hörende Ohren“ stößt dadurch, wenn ich nicht emotional explodiere. Das heißt: Ich achte auf meinen Ton und auf meine Wortwahl. Ich beschimpfe die Person nicht oder bezeichne sie auch nicht als dumm. Wichtig ist, dass ich meine Kritik möglichst zeitnah an ein Ereignis äußere. Wenn ich Zeit verstreichen lasse, sich Wut anstaut und die Person sich bis dahin nicht mehr an ihren Fehler erinnern kann, kann dies bei der Person zu Unsicherheit führen.

Bewusst kritisieren meint auch, dass ich nicht unbedingt alles auf einmal loswerde und einer Person 20 Dinge aufzähle, die aus meiner Sicht verbesserungsbedürftig sind. Wenn die Person durch meine Kritik bereits verletzt ist und ich merke, dass es sie besonders hart getroffen hat, sollte ich überlegen, ob ich unbedingt noch Sätze raushauen muss, die verletzend wirken oder keine Empathie vermitteln, wie z.B. „Stell dich nicht so an!“ oder „Nie machst du das richtig!“.

Sätze, die verallgemeinern, haben keinen positiven Effekt. In der Regel führen diese nur dazu, dass sich jemand nur abgelehnt und verletzt fühlt.

3.2 Ich lasse mein Gegenüber zu Wort kommen

Damit sich mein Gegenüber wertgeschätzt fühlt, lasse ich ihm die Möglichkeit, etwas zur Kritik zu sagen. Schlecht wäre es, wenn ich mich selbst als Maßstab sehe und nicht erkläre, was aus meiner Sicht gut oder schlecht war. Wenn ich der Person einfach mitteile, dass z.B. ein schlechtes Verhalten Anderen ebenso aufgefallen ist, beschäme ich meinen Gegenüber nur.

Wenn ich jemanden kritisiere, ist es auch wichtig, dass ich meine Beobachtung und meine Bewertung des Verhaltens nicht vermische. Ich muss es auseinanderhalten. Im Gespräch sollte ich der Person nicht das Gefühl vermitteln, dass ich über ihr stehe.
 

3.3 Ich gebe meinem Gegenüber Tipps, was er anders machen könnte

Verbesserungsvorschläge bringen ist wichtig. Wenn ich eine Person kritisiere, sollte ich nicht nur sagen, was aus meiner Sicht nicht in Ordnung ist, sondern ihr auch sagen, wie sie etwas anders machen kann. Wenn die Person keine konkreten Handlungsanweisungen bekommt, bringt die Kritik natürlich nicht viel.
 

Im Beruf oder privat: Auf Kritik kann ich immer stoßen. Wenn ich Kritik als Wertschätzung und Verbesserungsvorschlag verstehen kann, gelingt es mir am ehesten gut mit Kritik umzugehen. Wenn es mir schwerfällt Kritik zu äußern, kann ich mir bewusst machen, dass Kritik etwas Positives ist. Ich biete Menschen die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, sich zu verbessern oder ein bestimmtes Ziel eher zu erreichen. Manchmal braucht es etwas Mut, etwas zu sagen. Menschen, die gerne Kritik äußern, können an ihrer Art arbeiten, wie sie ihre Kritik anbringen.
 

Literatur

Kessler, V. (2020). Kritisieren ohne zu verletzen: Lernen von den Sprüchen Salomos (2. Auflage). Brunnen.
Eckert, T. (2017, 18. März). Wie wir kritisieren, ohne zu verletzen. Zeit Online. Abgerufen am 1. Mai 2022, von https://www.zeit.de/zett/2017-03/wie-wir-kritisieren-ohne-zu-verletzen
Jaeggi, R. & Wesche, T. (2009). Was ist Kritik?: Philosophische Positionen (suhrkamp taschenbuch wissenschaft) (Originalausgabe Aufl.). Suhrkamp Verlag.

Autor/-in: Micaela Kassen

Das könnte Sie auch interessieren

07.10.2020 / Das Gespräch

Mehr Respekt bitte!

Mehr Respekt fordert Tim Niedernolte in seinem neuen Buch für ein besseres Miteinander.

mehr

21.09.2022 / Artikel

7 Thesen für besseren Streit

Frank Schilling ist als Rechtsanwalt und Mediator mit Streitigkeiten vertraut. Folgende sieben Thesen können helfen, zu einer guten Streitkultur zu kommen.

mehr

16.03.2020 / ERF Plus spezial

Streiten – und sich trotzdem lieben

Burkhard Theis zeigt, wie Auseinandersetzungen zu einem wirklichen Miteinander führen können.

mehr

14.04.2020 / Der Feierabend

Gesunde Konfliktfähigkeit leben

Ulrike Schild im Gespräch mit Therapeut Matthias Hipler über lösungsorientiertes Streiten.

mehr

04.03.2020 / Glaube + Denken

Fair streiten

Mediatorin Claudia Kuchenbauer zeigt, wie der Glaube als Ressource bei Konflikten helfen kann.

mehr

09.04.2020 / Artikel

Lern mit mir zu streiten!

Konflikte bringen Beziehungen weiter, doch eine gute Streitkultur fällt nicht vom Himmel.

mehr

27.11.2018 / Calando

Wertschätzung als Haltung

Wertschätzung ist die Voraussetzung für gelingende Beziehungen und der Schlüssel zum Lebensglück.

mehr

14.11.2018 / Calando

Wunderwaffe Wertschätzung

TV-Moderator Tim Niedernolte will Deutschland zu einem Land der Wertschätzer machen.

mehr