28.02.2020 / Wort zum Tag

„Um Gottes Willen: Nein!“

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.

Psalm 22,2

Petrus wurde im Gefängnis festgehalten; aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.

Apostelgeschichte 12,5

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Nein, um Gottes Willen: Nein! So schreit es aus mir heraus, wenn mich die Krisen packen. Anderen ergeht es vermutlich ähnlich. Wir stürzen in Abgründe. Der Arzt teilt z. B. einen lebensbedrohlichen Befund mit. Die große Liebe zerbricht und der Mensch, dem wir uns ganz anvertraut hatten, verlässt uns. Oder der Job, der unsere Lebensexistenz sicherte, wird abgebaut.

Auch im großen Geschehen dieser Welt gibt es solche Ereignisse. Tausende Menschen kommen bei Naturkatastrophen um. Tausende Menschen, die nichts dafür können, werden Opfer von Kriegen und Machtinteressen brutaler und gewissenloser Machthaber. Dann schreien wir es heraus: Nein, oh nein! Oder wir stöhnen: Das kann Gott doch nicht machen! Das kann er doch nicht zulassen! Und sofort stellt sich die uralte Frage: Warum? Warum? Warum?

Die Warum-Frage stellt auch das für den heutigen Tag ausgeloste, bekannte Bibelwort aus dem 22. Psalm. Vers 2 lautet: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Hier wird die Warum-Frage allerdings auf ganz eigene Weise gestellt. Denn ich finde, dass diese Worte „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ in sich schon tragfähige Antworten enthalten. Darüber möchte ich in drei Gedankenschritten jetzt  mit Ihnen nachdenken.

Erste Antwort: Den wahren Gott erkennen.

 Gott ist nicht der „liebe“ Gott. Er lässt sich nicht in unseren Denkschablonen einfangen. Sonst wäre er nicht Gott, sondern nur eine menschliche Erfindung. Gott wirkt auch Unheil. Der Prophet Amos sagt: „Ist auch ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tut?“ Jesus, der ewige Sohn des himmlischen Vaters, hat das heutige Bibelwort am Kreuz gebetet, als er starb. Kein göttliches Eingreifen hat ihm geholfen. Der Gott, der alles irdisch gut ausgehen lässt, ist ein Phantasie-Gott. Gott lässt uns manchmal äußerlich allein und schweigt. Die Zerbrüche unseres Lebens können uns helfen, den wahren Gott zu erkennen.

Die zweite Antwort lautet: Am wahren Gott festhalten.

Mein Gott, mein Gott, ruft der Beter. Seine Verzweiflung und sein Schmerz haben ihn nicht von Gott weggebracht. Er betet, als wäre Gott da. Der Mann breitet seinen ganzen Schmerz vor Gott aus. Wenn überhaupt, dann können wir die Warum-Frage nur persönlich beantworten. Mit unserer Hingabe, mit unserer Selbstpreisgabe an eben den Gott, den viele oft nicht verstehen. Wer sein Leid in sich hineinfrisst, wer stumm bei sich selbst bleibt, macht sich auf Dauer krank. Aber wer mitten in der Tiefe am wahren Gott festhält und klagt und schreit, macht es richtig. Wie der Mann von Psalm 22 und wie Jesus .

Die dritte Antwort, die uns „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ gibt, heißt: Den wahren Gott erleben.

Plötzlich, völlig unvermittelt, bricht der Beter seine verzweifelte Klage ab und sagt: Du hast mich erhört. Und dann beginnt er ein Loblied auf Gott. Wie das? Es ist wie beim gekreuzigten Jesus. Das Grab ist leer. Jesus tritt mit einem neuen, himmlischen Körper zu seinen Jüngern. Der erschreckende, unbegreifliche Gott ist plötzlich greifbar nahe. Plötzlich persönlich erfahrbar. Gott verschließt sich nicht auf Dauer. Unsere äußere Situation wird sich oft gar nicht ändern. Aber innerlich kehrt Friede bei uns ein. Ich kann das nicht erzwingen, sondern mich nur fallenlassen.

Schaue ich mit meinen inneren Augen Jesus an, der den Tod besiegt hat, kommt göttliche Kraft und Hoffnung in mein Herz: Gott ist doch da. Er trägt mich. Ich halte durch.

Autor/-in: Paul-Ludwig Böcking