09.05.2012 / Wort zum Tag

Titus 3,4-5

„ Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilandes, machte er uns selig – nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit.“

Titus 3,4-5

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„Ich sollte da etwas in Ordnung bringen in meinem Leben“, sage ich mir. Da schwelt ein alter Konflikt. Er müsste beigelegt werden. Aber ich weiß nicht wie. Mich zu entschuldigen, ist in diesem Fall nicht angebracht. Die Lage ist verwickelter. Es liegt mir auf dem Gewissen. Aber ich finde keine befriedigende Lösung.
In diesem Zusammenhang fällt mir der zweite Teil des Bibelwortes für diesen Tag auf. Es steht im Titusbrief Kapitel 3, Vers 5, und beginnt – mitten im Satz – mit einer Verneinung: „Nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten.“
Ich höre das so: Was nötig gewesen wäre, „das Richtige“, das „Werk der Gerechtigkeit“ ist nicht gelungen. Bis jetzt noch nicht.
Man kann uns vorwerfen, dass wir es nicht fertig gebracht haben, die Sache in Ordnung zu bringen, die uns entzweit. Das ist nicht zu rechtfertigen. Vor allem vor Gott nicht. Man kann sich ihn im Blick darauf eigentlich nur als enttäuscht und unzufrieden vorstellen. Gott ist gewiss ungehalten. Im Satz vorher schreibt Paulus: Wir „waren verhasst“ (V. 3).
Aber das Bibelwort für diesen Tag erinnert in seinem Hauptsatz daran, dass Gott sich – überraschend – anders gezeigt hat, als man sich ihn normalerweise vorstellen müsste. Es „erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes.“
Gemeint ist damit, dass Gott in Jesus Christus bei uns „erschien“. Da zeigte er sich nicht aufgebracht. Er kam nicht, um uns zur Rechenschaft zu ziehen. Er nimmt sich vielmehr um das an, was wir nicht in Ordnung zu bringen wissen. Er verspricht, es selbst in die Hand zu nehmen.
Obwohl Vorwürfe gegen uns im Raum stehen, kommt Gott aufgeräumt auf uns zu. In der gebräuchlichen Bibelübersetzung heißt es: Er begegnete uns als „Heiland“ und „machte uns selig“ „nach seiner Barmherzigkeit.“
Da sieht man sich in ein ganz anderes Licht gerückt. Man ist wie ein neuer Mensch, rein gewaschen, von neuem geboren. So lauten die Verse 4 und 5 im 3. Kapitel des Titusbriefes: „ Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres Heilandes, machte er uns selig – nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit.“
Aber ich weiß noch immer nicht, wie ich den störenden Konflikt aus der Welt schaffen kann. Klar ist nur, dass ich die Schuld nicht einseitig den anderen anlasten und mich auf ihre Kosten rechtfertigen kann. Klar ist auch, dass ich, so lange wir gemeinsam auf der Erde leben, nicht aus der Verantwortung für sie entlassen bin. Mir bleibt wohl nur, mich sozusagen voll zu saugen mit Gottes Barmherzigkeit, so dass ich seine „Freundlichkeit und Menschenliebe“ nach allen Seiten weitergeben kann, auch wenn ich die nötigen „Werke der Gerechtigkeit“ noch nicht zustande gebracht habe.
Das alttestamentliche Bibelwort für diesen Tag ist aus einem Bußgebet des Propheten Daniel zitiert, Kapitel 9, Vers 9. Darin sagt der Prophet wiederholt: Wir müssen uns schämen; wir haben aus Gottes Wort nicht die nötigen Konsequenzen gezogen; wir haben gesündigt. Der einzige Lichtblick ist: Aber „bei dir, Herr, unser Gott, ist Barmherzigkeit und Vergebung.“
 

Autor/-in: Pfarrer i. R. Dr. Wolfhart Schlichting