18.03.2022 / Wort zum Tag

Stürmisch

Jesus war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?

Markus 4,38

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Es war die Lieblingsgeschichte meiner Kinder, als sie klein waren. „Da riefen die Jünger voller Angst: ‚Meister, wir ertrinken! Kümmerst du dich denn gar nicht um uns?’ Da stand Jesus auf, bedrohte Wind und Wellen und rief laut: ‚Sei still!‘ Da war es plötzlich ganz still.“ - Nicht nur in der Geschichte, sondern auch im Kinderzimmer.

Stürme können stören. Sie denken vielleicht gerade: „Jetzt brauche ich nur noch meine Ruhe.“ Aber da klingelt das Telefon oder es schellt an der Haustür. Ein Mensch braucht Sie, Ihr Ohr, Ihr Herz, Ihre Zeit. Ein Problem türmt sich auf. Ein Termin platzt. Eine dicke Rechnung schneit ins Haus.

Stürme können stören - und sie können auch verstören.

Die Jünger kennen den See Genezareth, sie sind hier aufgewachsen. Sie rechnen mit einer schnellen Überfahrt mit dem Westwind. Aber die gefürchteten Fallwinde sind unberechenbar. Aber Jesus ist ja da, der wird ihnen helfen!

Doch Jesus schläft! Die Schwierigkeiten sind das eine. Mit vielem habe ich gelernt fertig zu werden. Aber viel schlimmer ist, wenn Gott dann „schläft", wenn er nicht hilft, wenn er schweigt. Nicht der Sturm ist das Schlimmste, sondern die Verlassenheit, die ich in ihm erfahren kann.

Vielleicht durchleben Sie gerade ganz persönlich einen Sturm. In Ihrer Ehe hakt es. Sie sind sich keine Ergänzung und Hilfe mehr, sondern nur noch zusätzliche Belastung. Oder eine schwere Krankheit bedroht nicht nur Ihr eigenes Leben, sondern auch das der ganzen Familie. Vielleicht warten Sie auf der Arbeit schon auf die Kündigung oder Sie haben selbst innerlich gekündigt.

Stürme können wirklich verstören - und sie können auch zerstören.

Stellen Sie sich das vor: Das Boot voller Wasser, der Regen peitscht, der Kahn schlingert, verzweifelte Schreie der Jünger. Und Jesus - schläft! Sollten sie sich so Gott vorstellen? Das Schlimmste im Sturm ist gar nicht die eigene Hilflosigkeit. Sondern die Erkenntnis, dass sie sich in Jesus getäuscht haben! Das hätten die Jünger nie gedacht. Ihre Hand hätten sie dafür ins Feuer gelegt: Wenn es hart auf hart kommt, dann ist Jesus zur Stelle! Aber Pustekuchen! Nichts davon stimmt. Ihr Meister verschläft die Stunde der Gefahr. Gut, er hat den ganzen Tag gepredigt und geheilt. Aber sind sie untätig gewesen? Und jetzt müssen sie auch noch um ihr Leben rudern. Ihr Vertrauen in Jesus zerplatzt wie eine Seifenblase. Alles, was sie so unerschütterlich geglaubt haben, bricht in einem Moment wie ein Kartenhaus zusammen. Solche inneren Stürme können alles zerstören!

Gibt es dann noch eine Hilfe? Natürlich kann Stille hilfreich sein. Aber alles zu seiner Zeit. Denn nicht die Stille hilft, sondern Jesus, der allerdings gern in der Stille mit uns redet. Nicht der Glaube hilft, sondern Jesus, an dem sich der Glaube festmacht. Nicht die Gemeinschaft hilft, sondern Jesus, der in der Gemeinschaft unter uns ist. Die Jünger tun darum das einzig Richtige. Sie versammeln sich nicht zur stillen Meditation, sondern sie wecken Jesus. Sie besinnen sich nicht auf ihre innere Gewissheit, sondern sie stören Jesus im Schlaf. Sie suchen nicht in der Gemeinschaft ein Gefühl der Geborgenheit, sondern sie suchen gemeinsam Jesus auf.

Wecken Sie Jesus auf. Kommen Sie mit Ihrer Not zu ihm. Er will gebeten sein, Ihretwegen lässt er sich wecken.

Stürme gehören zum Leben, aber sie kommen selten passend. Sie können stören, verstören und zerstören. Doch geben Sie nicht auf. Suchen Sie Jesus. Wecken Sie ihn. Stören Sie ihn. Vermutlich werden Sie es oft erst im Sturm erfahren: Jesus stillt Ihre Not, stillt Ihr Herz, stillt Ihren Hunger nach Gott.

Autor/-in: Pfarrer Jens Brakensiek