23.02.2010 / Wort zum Tag

Sprüche 3,29

Trachte nicht nach Bösem gegen deinen Nächsten, der arglos bei dir wohnt.

Sprüche 3,29

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

In diesen Worten des alttestamentlichen Weisheitslehrers kommt das soziale Verantwortungsgefühl zum Ausdruck. Es ist weise, so zu handeln. Diese Weisheit kommt von Gott. „Wissen ist menschlich“, hat der Theologe Dietrich Bonhoeffer gesagt, „Weisheit göttlich“ (aus einer Skizze zu einer Wochenschlussandacht 1935). Weise ist einer dann, wenn er den Willen Gottes in den konkreten Aufgaben des Lebens erkennt. Diese Weisheit ordnet auch die Beziehung des Menschen zu seinem Nächsten. Der hier angesprochene „Nächste“ ist zuerst einmal der Bruder oder Freund aus demselben Stamm oder Volk. Aber auch der Nächste darüber hinaus ist gemeint. Im Grunde genommen ist immer der mein Nächster, der mir gerade begegnet. Also jeder Mensch, der mir heute begegnet, ist ein von Gott geliebter Mensch. Um den Umgang mit ihm geht es. Ganz nüchtern wird hier das menschliche Konfliktfeld angesprochen, das unser tägliches Miteinander betrifft. Das beste Übungsfeld dafür ist die Familie. Dort sind sich Eltern und Kinder und Geschwister untereinander direkt Nächste. Es ist ja leicht, für bessere Arbeitsbedingungen der Hafenarbeiter in Kalkutta hier in Deutschland zu protestieren. Aber nicht so leicht ist es, der Mutter oder dem Bruder in der eigenen Familie liebevoll zu begegnen.

Aber auch in anderen Beziehungen sind wir ganz eng aufeinander angewiesen. Sei es nun in der Schule oder am Arbeitsplatz. Wie wichtig ist es da, dass jeder seine Verantwortung für den anderen wahrnimmt. Dass der andere damit rechnen kann, dass ich nichts Böses gegen ihn aussinne. Und dass ich davon ausgehen kann, dass der andere mit mir nichts Böses vor hat.

Um mich im Alltagskonflikt zu bewähren, habe ich dem Unrecht zu widerstehen. Also aufrichtig und friedfertig dem anderen zu begegnen.

Wie kann ich mich davor schützen, meinem arglosen Nächsten, meinem nichtsahnenden Nächsten Böses zu tun.

Zunächst einmal dadurch, dass ich sein mir entgegengebrachtes Vertrauen nicht missbrauche. Ich stelle es mir ganz schlimm vor, wenn so etwas passiert. Ich habe von etlichen Menschen aus der ehemaligen DDR erzählt bekommen, wie engste Familienangehörige oder Freunde sie an die Stasi verraten haben - teilweise über Jahre. Zunächst mal geht es also darum, dass ich das mir entgegengebrachte Vertrauen nicht missbrauche. Nicht missbrauche durch böse Gedanken über den Nächsten oder missbrauche durch heimliche Pläne gegen ihn.

Und auch dadurch kann ich mich und meinen Nächsten schützen, in dem ich genau auf das achte, was ich über ihn sage. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer empfiehlt zum Beispiel Christen: „Nicht über den Bruder reden! Du kannst dann nicht mehr mit dem Bruder reden!“ Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag. Immer dann, wenn ich etwas gegen meinen Nächsten habe, mit ihm darüber zu reden anstatt hinter seinem Rücken über ihn zu reden.

Es ist eine ganz weise Empfehlung Gottes, so miteinander umzugehen. Dann können wir – wenn beide Seiten das praktizieren – ganz lange und gut und in Frieden miteinander leben.
 

Autor/-in: Pastor Udo Vach