16.07.2013 / Wort zum Tag

Sprüche 20,22

Sprich nicht: Ich will Böses vergelten!“ Harre des Herrn, der wird dir helfen

Sprüche 20,22

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Manch einer hat eine wohlsortierte Ablage in seinem Kopf und in seinem Herzen. Darin bewahrt er all die offenen Rechnungen auf, die er irgendwann einmal begleichen will. Offene Rechnungen mit Menschen zumeist. Mit Menschen, die ihm irgendetwas Schlimmes gesagt haben. Die ihm irgendetwas Schlimmes angetan haben. Und er hofft, dass er eines Tages die Gelegenheit haben wird, es diesen Menschen heimzuzahlen, die Rechnung zu begleichen sozusagen.

Bei manchem quillt diese Ablage schier über. Bei besonders empfindlichen Menschen vielleicht. Bei Menschen mit einem guten Gedächtnis vielleicht auch.

In dieser Ablage finden sich Rechnungen, die unterschiedlich hohe Beträge ausweisen. Manchmal ist es eine Kleinigkeit. Manchmal aber auch ein Ereignis, dass das ganze Leben nachhaltig verändert hat. Manchmal ist es nur eine spitze Bemerkung, die einen Menschen mitten ins Herz getroffen hat. Manchmal ist es eine ganze verpfuschte und verdorbene Kindheit, die ausgefüllt war von Gewalt, von Verachtung, vielleicht sogar von Missbrauch.

Nun sagt unser Bibelvers für heute: „Sprich nicht: Ich will Böses vergelten! Harre des Herrn, der wird dir helfen.“ Damit bürstet er gegen unsere menschlichen Gewohnheiten. Denn wir wollen normalerweise vergelten. Wir wollen schon Gutes vergelten. Meine Oma sagte immer wieder, wenn ihr jemand in einer schwierigen Situation ausgeholfen hat: „Ich mache dir das wieder gut.“ Das ist sozusagen die positive Form der Vergeltung. Noch mehr aber wollen wir Böses vergelten, uns rächen. Aber, so sagt dieser alte Vers aus dem Alten Testament, das führt ja nicht weiter. Jede Form von Vergeltung führt zu einer nächsten Stufe der Vergeltung. Jede Form von Rache führt zu einer nächsten Stufe von Rache. Wir erleben das jeden Tag in der Welt zwischen Staaten und zwischen Menschen. „Wie du mir, so ich dir“, denken wir, sagen wir, leben wir. Und deshalb muss die Frage erlaubt sein, ob das überhaupt geht, was dieser Vers aus den Sprüchen einfordert. Kann man auf Gott warten, der helfen wird? Der eingreifen wird? Geht das überhaupt?

Nein, es geht wohl nicht. Es würde nicht gehen, wenn es nicht einen gegeben hätte, bei dem es gegangen ist. Dieser eine ist der Mensch gewordene Gott, ist Jesus Christus. Der hat nicht nach dem Motto gelebt: „Wie du mir, so ich dir.“ Der hat nicht Böses mit Bösem vergolten. Der hat nicht zurück geschlagen, wenn er geschlagen wurde. Der hat die Spirale der Gewalt und des Hasses durchbrochen durch Geduld und durch Liebe. Und am Ende war die Liebe stärker als der Hass. Der Christus am Kreuz, der an der Gewalt und an der Wut der Menschen stirbt, ist am dritten Tag wieder lebendig und mit ihm die Liebe und die Vergebung Gottes. Jesus, der am Kreuz noch gesagt hat: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, steht für genau diese Vergebung. Er steht für den Neuanfang. Diesen Neuanfang bietet Gott seit dem jedem Menschen an: Lass uns neu miteinander beginnen. Was bisher gegolten hat, gilt nicht mehr. Was du getan und gesagt hast, gilt nicht mehr. Es ist alles vergeben. Lass uns neu miteinander anfangen.

Seit Jesus gilt dieser Satz nicht mehr: „Wie du mir, so ich dir.“ Seit dem gilt ein anderer Satz, nämlich: „Wie er mir, so ich dir.“ Ich will und ich kann mit anderen Menschen so umgehen, wie er Tag für Tag mit mir umgeht. Ich will ein Mensch der Barmherzigkeit sein, der Gnade und der Vergebung. Nicht aus eigener Kraft. Das geht nicht. Aber in dem ich seine Kraft in Anspruch nehme, in dem ich ihn bitte, durch mich hindurch zu lieben, durch mich hindurch zu vergeben. Ich darf, ich will, ich soll das jeden Tag neu probieren, indem ich ihn an mein Leben heran­lasse, an mein Herz, an die Ablage in meinem Kopf. Ich will ihm das alles geben und ihn bitten, dass er das nimmt und dass er mir dafür seine Liebe schenkt. Dann wird nicht nur mein eigenes Herz leichter, sondern es wird heller und hoffnungsvoller in der Welt.

Autor/-in: Jürgen Werth