14.10.2010 / Wort zum Tag

Sprüche 1,7

Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis.

Sprüche 1,7

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Wie bitte? Da hören wir doch heute von der Psychologie und der Gehirnforschung etwas ganz anderes: Wer Angst hat, kann nichts aufnehmen, nichts lernen, nichts kapieren. Furcht ist ein Lernkiller. Wir lernen nur, wenn wir uns geborgen wissen. Wir verstehen nur, wenn der emotionale Rahmen stimmt. Und hier sagt der weise Salomo: „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis“? Gottesfurcht als Schrittmacher der Erkenntnis? Gottesfurcht! – Schon allein dieses Wort klingt so entsetzlich nach Altem Testament – oder doch wenigstens nach Mittelalter. Damit haben viele als aufgeklärte Menschen doch ein Problem. Wenn sie Gott überhaupt akzeptieren, dann nur als „lieben Gott“, oder?

Aber vielleicht liegt ja gerade hier das Problem unserer Zeit? Wer weiß, vielleicht hat der alte Salomo ja doch ins Schwarze getroffen. Vielleicht stehen wir ja gerade in diesen furchtbaren Sackgassen, weil wir uns selbst ans Steuer des Lebens und der Geschichte gesetzt haben. Weil wir das Ziel der Reise selbst bestimmen wollten und den lieben Gott bestenfalls im Handfach verstaut haben. Der liebe Gott soll uns begleiten, aber am Steuer sitzen wir. Der liebe Gott soll uns segnen, aber die Route wählen wir aus.

„Nein!“, sagt Salomo. „Stopp!“, sagt uns Gott durch die Bibel. Halte mal an mit deinem Fahrzeug! „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis.“ Du musst umkehren, noch mehr: Du musst jemand anders ans Steuer lassen. Da gehört Gott hin. Er ist der Chef! Er weiß den Weg! Er hat nicht nur das Auto geschaffen, sondern er allein kennt auch das Ziel. Das meint die Bibel mit „Erkenntnis“. Erkenntnis ist nicht einfach irgendein Wissen, nicht das Ansammeln von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sondern Erkenntnis meint die fundamentale Wahrnehmung und Anerkennung vom Ursprung und Ziel meines Lebens. Erkenntnis betrifft die Tiefendimension meines Lebens. Das Woher und Wozu, also die eigentlichen Fragen, die wir alle mit uns herumtragen.

Die Bibel mutet uns einen radikalen Standortwechsel zu: Alles beginnt damit, dass ich Gott Gott sein lasse. Alles verändert sich, wenn ich selbst meinen bisherigen Standort aufgebe. Und wie sieht der normalerweise aus? Nun, wenn ich mich betrachte: Ich halte mich für den Mittelpunkt der Welt. Und einen Mittelpunkt kann es nur einmal geben. Ist es nicht so, dass die Welt eigentlich nur als Bühne dient für unseren Auftritt? Unsere Eltern, Geschwister, Nachbarn und Kollegen – sie alle gehören doch mehr oder weniger zur Kulisse. Im Grunde geht es um mich. Um wen auch sonst? Und Gott - der gehört auch zur Kulisse. Der gehört gewissermaßen zur Deckenbeleuchtung des Theaters, in dem ich die Hauptrolle spiele. - Und genau deshalb, weil wir alle ausnahmslos so gestrickt sind, deshalb ist die Welt so ein Riesentheater. Jeder führt sein eigenes Stück auf und versucht die anderen zu seinen Rollenspielchen zu manipulieren. Genau deshalb steckt der Wagen so tief im Dreck.

Und deshalb spricht Gott durch den alten Salomo heute für uns das befreiende Wort: Ich muss heute nicht der Mittelpunkt der Welt sein. Ich darf Gott endlich Gott sein lassen. Ich trete ab aus der Mitte und lasse Gott ans Steuer. Was für eine Befreiung! Das ist Gottesfurcht! Es geht doch nicht um Angst vor Gott – sondern um einen befreienden Herrschaftswechsel. Als 13-jähriger Junge durfte ich bei einem Bauern Traktorfahren. Natürlich nur auf dem Feld oder auf dem Feldweg. Das war ein erhebendes Gefühl. Aber ich war noch sehr ungeübt. Und ich wusste: Spätestens, wenn wir auf die große Straße abbiegen, werde ich das Steuer wieder dem Chef überlassen. Das würde mich sonst total überfordern! Ich war richtig froh, als ich den Sitzplatz tauschen konnte. Und ich hatte tiefen Respekt und große Hochachtung vor diesem geübten Fahrer, der so ein schweres Gefährt mit vollem Anhänger souverän die abschüssige Straße hinab lenkte. Tiefer Respekt, große Hochachtung und anhaltende Dankbarkeit – das ist Gottesfurcht. Damit fängt alles an, hoffentlich auch dieser Tag.

Wer sitzt heute bei Ihnen am Steuer? Ich wünsche Ihnen gute Fahrt!

Autor/-in: Pastor Dr. Christoph Schrodt