18.08.2011 / Interview

Setz dich ein!

Richtig, Christenverfolgung ist ein ernstes Thema. Das hinderte Diana Macuta nicht daran, das Thema in einem Animationsfilm zu verarbeiten.

ERF Online: Frau Macuta, weltweit sterben tausende Christen Jahr für Jahr durch Verfolgung - und Sie machen einen Animationsfilm zum Thema. Ist das die angemessene Form, mit einem so ernsten Thema umzugehen?

Diana Macuta: Jede Form ist gut, wenn sie bei den Menschen richtig ankommt. Ich habe für die Bachelorarbeit viel recherchiert und natürlich einen Berg an Informationen gefunden. Für viele Zielgruppen ist das schlicht zu viel! Indem ich ein ernstes Thema in einer spielerischen Darstellung verarbeitet habe, erreiche ich bei vielen Menschen mehr Aufmerksamkeit. Die Leute denken sich zum Beispiel: Das kann doch nicht passen! Und dann schauen sie den Film an.
 

ERF Online: Wird der Film damit nicht zu oberflächlich?

Diana Macuta: Mein Ziel war es nicht, tief in das Thema einzusteigen. Ich wollte einen breiten Überblick bieten und ohnehin auch etwas Leichtes, etwas Hoffnungsvolles in das Thema bringen. Deshalb ist der Sprecher auch optimistisch gehalten. Damit es nicht so bedrückend ist. Denn man ist schnell mit dem Thema überfordert und denkt, dass man eh nichts tun kann. Aber jeder kann etwas bewegen.
 

ERF Online: Wird die Verfolgung von Christen also Ihrer Meinung nach oft zu ernst verarbeitet?

Diana Macuta: Ja, aus meiner Recherche heraus empfinde ich das so. Es ist auch ein ernstes Thema, weil es mit Menschenleben und Schicksalen zu tun. Da kann man schnell pessimistisch, ja depressiv werden. Auch die Bücher, die ich gelesen habe, waren teilweise sehr schwer zu lesen. Keiner, der nicht Christ ist, wird da jemals reinschauen. Oft befinden sich zu viele Bibelzitate darin, auch zu viele Fakten. Das schreckt viele potentielle Leser ab.
 

ERF Online: Sie sind in Usbekistan geboren und aufgewachsen. Das Land steht an Platz 9 im Weltverfolgungsindex von Open Doors, was eine leichte Verschlechterung zum Vorjahr bedeutet. Haben Sie persönlich Erfahrung mit Verfolgung gemacht?

Diana Macuta wurde 1983 in Usbekistan geboren und kam 2005 nach Deutschland. Der Animationsfilm „Setz dich ein“ ist die Abschlussarbeit ihres Studiums „Digitale Medien“ an der Hochschule Ulm.

Diana Macuta: Ich persönlich nicht, zumindest nicht in einer krassen Form. Ich komme aus einem muslimisch-atheistischen Hintergrund und meine Familie war nicht begeistert, als ich Christ wurde. Das war aber keine Verfolgung. Manchmal wurde mir verboten, in die Kirche zu gehen, gerade von älteren Leuten wurde ich gemieden. Und einmal hatte ich ein Erlebnis mit zwei aggressiven Polizisten. Aber ich weiß von einigen Familien, die sehr stark verfolgt wurden. Sie konnten zum Beispiel nicht mehr nach Hause, weil die Polizei in ihr Haus eingedrungen war. Diese Fälle gibt es wirklich.
 

ERF Online: Nun ist das Thema Christenverfolgung für die Abschlussarbeit eines Theologiestudiums nicht abwegig. Bei einem Studium „Digitale Medien“ aber zumindest ungewöhnlich. Wie stark haben Ihre persönlichen Erlebnisse dazu beigetragen, dass Sie sich mit dem Thema in Ihrer Abschlussarbeit auseinandergesetzt haben?

Diana Macuta: Ich wollte anfangs in meiner Abschlussarbeit entweder etwas zum christlichen Glauben machen oder zu meiner Heimat. Im Thema Christenverfolgung habe ich einen Kompromiss gefunden. Ich bin ohnehin sehr sensibel, was soziale und religiöse Ungerechtigkeit angeht. Das, was in meinem Land passiert, sollte man ansprechen! Gerade in Deutschland. Denn die Menschen hier haben auch ein gutes Gefühl für solche Themen, sie engagieren sich für alles Mögliche. Da habe ich mich frei gefühlt, das Thema anzupacken.
 

ERF Online: Wie hat Ihr Professor auf das Thema reagiert?

Diana Macuta: Am Anfang war es schon ein wenig schwierig. Er hatte Bedenken, dass das Thema kippen könnte. Wir haben uns dann alle zwei Wochen zu einem Gespräch getroffen. Und als er gesehen hat, dass ich nicht übertreiben werde, hat er das O.K. gegeben. Insgesamt war es ein Wunder, dass mein Professor eingewilligt hat. Das war auch eine Bestätigung, dass es das richtige Thema ist.
 

ERF Online: Und die Mitstudenten?

Diana Macuta: Das war interessant! Ich hatte ein paar türkische Mitstudenten, mit denen ich mich gut verstanden habe. Ich fragte mich schon, wie sie wohl reagieren werden. Zuerst konnten sie es sich nicht so recht vorstellen, aber am Ende hat mich einer von ihnen gelobt und fand den Film schön. Er meinte, er fühlte sich selbst als Moslem nicht negativ dargestellt. Andere haben gesagt, dass sie gar nichts von Christenverfolgung gewusst haben und dass der Film großen Sinn macht. Das war für mich das größte Lob.

ERF Online: Sie wollten also in der Abschlussarbeit auch etwas zu Ihrer Heimat machen. Aber im Film kommt Usbekistan gar nicht vor. Haben sie bewusst die deutlicheren Beispiele gewählt, wie zum Beispiel Nordkorea und Afghanistan?

Diana Macuta: Ich wollte verschiedene Aspekte dieses Themas ansprechen und das Thema nicht einseitig präsentieren. Damit es deutlicher wird, habe ich Extreme genommen. Nordkorea zum Beispiel steht im Film für alle kommunistisch regierten Länder, in denen Gläubige große Probleme haben. Für alle Christen, die in islamischen Ländern unter der Scharia zu leiden haben, steht die Geschichte von Abdul Rahman aus Afghanistan. Eine Geschichte übrigens, bei der das Einmischen der Öffentlichkeit einem Menschen das Leben gerettet hat.
 

ERF Online: Sie meinen die Intervention von Herrn Walter Steinmeier und des Papstes?

Diana Macuta: Genau. Mit dieser Geschichte wollte ich sagen, dass man nicht aufgeben soll. Als Beispiel für Extremisten jeglicher Art wählte ich das Vorgehen hinduistischer Extremisten gegen Christen in Orissa. Dadurch wurde der Film vielseitig. Durch die Extreme konnte ich den Film so kurz halten.
 

ERF Online: Der Titel des Films heißt „Setz dich ein“. Zu was genau wollen Sie die Zuschauer animieren?

Diana Macuta: Erst einmal will ich die Menschen für das Thema sensibilisieren und für die Nöte, die viele Christen durchmachen. Dafür wollte ich einige Informationen auf verständliche und prägnante Weise weitergeben. Dann wollte ich dazu aufrufen, dass sich Menschen engagieren. Ich will natürlich niemanden zu etwas zwingen, wohl aber die Möglichkeit geben, etwas zu tun. Denn ich nehme oft wahr, dass einige von den negativen Schlagzeilen überfordert sind und denken, dass sie nichts verändern können. Sie werden passiv, weil sie denken: Es bringt ja eh nichts, wenn ich helfe oder etwas spende. Aber das stimmt nicht. Jeder kann etwas tun. Und wenn jeder etwas anpackt, wird die Welt ein Stück besser.
 

ERF Online: Trotzdem bin ich ja nicht Herr Steinmeier oder der Papst. Haben Sie schon die Erfahrung gemacht, dass Kleinigkeiten etwas bringen?

Diana Macuta: Absolut. Aufgrund von Petitionen von Open Doors wurden zum Beispiel zwei iranische Frauen aus dem Gefängnis entlassen. Aber auch sonst tut es verfolgten Christen einfach gut, wenn sie wissen, dass sich jemand für sie einsetzt, ihnen hilft, für sie betet und sie finanziell unterstützt. Allein das verändert ihr Leben und ihre Sicht auf die Dinge. Sie glauben wieder an sich und ihre Würde.
 

ERF Online: Und ganz konkret: Welche Auswirkungen könnte solch ein Einsatz für Ihr Heimatland Usbekistan haben?

Diana Macuta: Mehrere. Usbekistan betreibt eine fragwürdige Politik. Die Verfassung gewährt Religionsfreiheit – in der Realität gibt es sie nicht. Es hätte große Auswirkungen, wenn die Weltöffentlichkeit auf diese Praxis aufmerksam wird und einige Länder die usbekische Regierung dazu aufrufen würden, dem eigenen Gesetz zu folgen. Allein dadurch würden die Menschen im Land wieder die Möglichkeit sehen, zu protestieren und ihr Recht einzufordern. Denn in vielen Ländern haben die Menschen einfach keine Ahnung, welche Rechte sie haben – und das dient immer den Leuten, die nicht das Gute im Sinn haben.
 

ERF Online: Vielen Dank für das Gespräch!

Die Webseite zum Film: www.setzdichein.de

Mehr zum Thema Christenverfolgung:

- Hilfsaktion Märtyrerkirche

- Open Doors

- Christian Solidarity International Deutschland

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Autor/-in: Joachim Bär