03.09.2016 / Wort zum Tag

Seid allezeit wach und betet

Seid allezeit wach und betet, dass ihr stark werdet.

Lukas 21,36

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„Du verschläfst noch mal deine Zukunft“. Das war ein beliebter Ausspruch unseres Lehrers, wenn jemand gelangweilt im Unterricht vor sich hin döste. Und wie freute sich eine Mutter als ich ihr bei einer Bahnfahrt sagte : „Sie haben aber ein aufgewecktes Kind.“ Ich hatte den kleinen Jungen beim Spielen beobachtet.

„Seid allezeit wach und betet, dass ihr stark werdet.“(Lukas 21,36) Das ist der wachrüttelnde Bibelvers. Jesus hat es gesagt. Davor hat er realistisch beschrieben wie sich die Lage in der Gesellschaft zum Ende der Weltzeit zuspitzen wird.

Wachen und beten gehören zusammen. Wer betet wird hellhörig. Er wird aufgeweckt, das Zeitgeschehen und auch sein eigenes Leben an der Botschaft des Evangeliums zu messen. Wer betet, verschließt nicht die Augen vor den bedrohlichen Entwicklungen um uns herum. Er nimmt wahr, was in der Welt geschieht und verschläft nicht den Moment, wo Handeln auf der Tagesordnung Gottes steht.

Für die Bibel ist klar: Gebet schult unsere Wachsamkeit. Und wer mit der aufgeschlagenen Bibel hellwach die Tagesnachrichten verfolgt, weiß: „Allein den Betern kann es noch gelingen, das Schwert ob unsern Häuptern aufzuhalten.“ Reinhold Schneider hat das 1933 geschrieben. Achtsam hat er sich damals gegen den Faschismus und den Größenwahn des Nationalsozialismus gewandt und sich für jüdische Mitbürger eingesetzt. Wachsames Handeln und vertrauensvolles Beten sind Zwillingsgeschwister. Jesus erwartet unseren Einsatz im Gebet und Handeln. Beter wissen aber, dass letztlich alles an Gottes Segen gelegen ist.

Ein junger Mann fragt einen Rabbiner, was er tun könne, um die Welt zu retten. Der Weise antwortet: "So viel, wie du dazu beitragen kannst, dass morgens die Sonne aufgeht." Was dann all seine Gebete, seine guten Taten und sein Engagement nützen, möchte der junge Mann wissen. Darauf sagt der Weise: "Sie helfen dir, wach zu sein, wenn die Sonne aufgeht."

Wachen und beten gehören zusammen. Wer betet überlässt die Welt nicht sich selbst. Er überschätzt dabei aber auch nicht seine Möglichkeiten. Wer wach ist, schützt sich vor Illusionen.  Er rechnet aber mit Gottes gnädigem Eingreifen in einer aus den Fugen geratenen Welt.  Er entdeckt Gottes – manchmal verborgene – Spuren in der Geschichte. Er staunt jeden Morgen, dass Gott seine Sonne über Gerechte und Ungerechte aufgehen lässt.

Wachen und beten gehören für mich auch deshalb zusammen, weil ich häufig Schwierigkeiten habe, mich beim Beten mit ungeteiltem Herzen ganz auf Gott und sein Reden einzustellen. Oft schweifen die Gedanken ab und ich erschrecke, dass ich abgelenkt Gebetsworte plappere.

Von dem Zisterzienser-Abt, Bernhard von Clairvaux, wird folgende Anekdote überliefert. Er sagte zu einem Mann: „Wenn du ein Vaterunser von Anfang bis Ende ohne Abschweifung in Gedanken beten kannst, schenke ich dir mein liebstes und letztes Pferd.“ Der Mann dachte: Dieses Pferd ist schnell verdient. Doch schon nach der zweiten Bitte fragte er: „Bekomme ich das Pferd allein oder auch das Sattelzeug dazu?“ Der Abt konnte sein Pferd behalten. Und der Mann ging leer aus.

Ich kenne auch kraftloses Beten und gehe oft leer aus. Das liegt nicht an Gott. Das liegt daran, dass ich mein Handeln nicht dem Willen Gottes angleiche. Ich will lernen, mit wachen Sinnen, Dank, Bitte und Klage im Gebet vor Gott zu bringen.

Autor/-in: Pastor i. R. Eckhard Schaefer