04.07.2022 / Wort zum Tag

Sehen und gesehen werden

Meine Hand hat alles gemacht, was da ist, spricht der HERR. Ich sehe aber auf den Elenden und auf den, der zerbrochenen Geistes ist und der erzittert vor meinem Wort.

Jesaja 66,2

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Sehen und gesehen werden. Das ist das Lebensmotto in bestimmten Kreisen der Reichen, Schönen und Mächtigen. Dabei wird auf die geschielt, zu denen man gern gehören möchte und sucht daher ihre Nähe. Uninteressante Leute werden keines Blickes gewürdigt, sie sind eben uninteressant.

Sehen und gesehen werden ist auch das Motto von Gott. Aber mit dem Unterschied, dass sein Blick gerade den Uninteressanten gilt.

Der Gott, dessen Hand alles gemacht hat, sagt im Losungswort der Herrnhuter Brüdergemeine: „Ich sehe aber auf den Elenden und auf den, der zerbrochenen Geistes ist und der erzittert vor meinem Wort.“

Der Schöpfer, dessen Hand alles gemacht hat, schüttelt nicht zuerst den Großen oder Möchtegern-Großen die Hand, sondern streckt sie denen entgegen, die am Rande stehen. Er sieht die an, die ohne Ansehen sind. Sein Blick gilt denen, deren Blick gebeugt ist.

Gottes Herz hat Antennen für die Elenden. Er sucht die, deren Leben zerbrochen ist.
Er will bei denen wohnen, denen sein Wort so heilig ist, dass sie davor zittern.

Das passt für viele nicht zu ihrer Vorstellung von Gott. Er müsste doch erhaben über allem stehen und sich nicht so klein machen.

Nur dann hätten wir kleinen Leute leider keine Chance, ihm nahe zu kommen. Das ist ja auch das Umwälzende bei Jesus. Er verkörpert genau das, was Gott in unserem Bibelwort von sich sagt.

Jesus verlässt die unvergleichliche Komfortzone des Himmels und kommt als Mensch in armseligen Verhältnissen auf diese Welt. Er wendet sich den Aussätzigen zu, lässt sich von zweifelhaften Frauen verehren und sucht den verhassten Zolleintreiber Zachäus auf. Die religiösen Führer finden das anstößig. Statt vor seinem Wort zu zittern, unterstellen sie Jesus teuflische Verbindungen. Wenn dieser Jesus wirklich von Gott käme, würde er sich nicht mit diesen Leuten abgeben und sich verunreinigen. Er ist ein Scharlatan, den es auszuschalten gilt.

Auch auf diese Eliten richtet Jesus seinen Blick. Aber es ist nicht sein erbarmender Blick. Vielmehr entlarvt sein richtendes Auge ihre Scheinheiligkeit und fällt ein schwerwiegendes Urteil. In diesem Augenblick blitzt für sie die vermisste Autorität dieses Gottgesandten auf und trifft sie bis ins Mark. Die Hand Gottes hat sich gegen sie gerichtet.

Aber die Hand Gottes, die alles gemacht hat, ist die Hand, die schützend über denen bleibt, die sich schutzlos fühlen. Es ist die Hand, die uns in unseren Ängsten hält. Es ist die Hand, die zerbrochene Herzen wieder heilen will. Und wem gerade der Boden unter den Füßen weggezogen wird, fällt trotzdem nicht ins Bodenlose. Weil man nie tiefer fallen kann als in Gottes Hand.

Autor/-in: Günter-Helmrich Lotz