09.05.2019 / Wort zum Tag

Schnell zum Hören, langsam zum Reden

Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.

Jakobus 1,19

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Der Aufruf „jeder Mensch“ macht deutlich, dass hinter der Aussage eine allgemein menschliche und weitverbreitete Erfahrung steckt. Schon die Weisheitsbücher des Alten Testamentes sprechen an einigen Stellen das aus, was der Schreiber des Jakobusbriefes hier sagt. Ja, mich spricht das auch sofort an, weil der Anlass für solch einen Rat auch heute noch aktuell ist. Ich denke, viele stimmen darin überein, dass sie Begegnungen kennen, in denen das Hören nicht gelungen ist, weil zu schnell geredet wurde. Wie oft ertappe ich mich selbst dabei, dass ich nicht wirklich aufmerksam hinhöre, was mein Gegenüber sagt, weil ich gedanklich schon damit beschäftigt bin, was ich als nächstes sage. Und ich erinnere mich an Gespräche, da habe ich mich innerlich aufgeregt und Ärger, vielleicht sogar Zorn, hat sich in mir gebildet. Doch später stellte ich fest, dass die Aufregung fehl am Platze war, weil ich nicht richtig zugehört hatte. Ich habe die Aussage oder vielleicht nur ein Wort missverstanden. Also ist das doch wirklich hilfreich, sich mehr auf das Hören zu konzentrieren und langsam zum Reden, - erst recht langsam zum Zorn -, zu sein. Dabei kommt mir in den Sinn, dass Jesus auch immer wieder das Hören betont hat, wie zum Beispiel mit der Aussage: „Wer Ohren hat, der höre!“ und ich denke an den Apostel Paulus, der im Römerbrief schreibt, dass der Glaube aus dem Hören kommt.

Wieviel Zeit nehme ich mir zum Hören auf Gottes Wort? Bin ich vielleicht auch zu schnell mit anderen Dingen beschäftigt? Ich denke, das Hören ist auch ein Zeichen der Wertschätzung. Damit meine ich nicht nur, Gott zu zeigen, wie wichtig er in meinem Leben ist, sondern denke an meine Mitmenschen. Wenn ich in Begegnungen und Gesprächen Ruhe finde zum Hören, dann kann mein Gegenüber empfinden, wie ich ihn achte und respektiere. So ist das Hören eine wichtige Voraussetzung für echte Begegnungen und eine große Hilfe, Menschen zu zeigen, wie wertvoll sie sind. Es hat einen starken Eindruck bei mir hinterlassen, was ich mal in einem Kinder- und Jugendbuch gelesen habe. Dort wird von einem Mädchen namens Momo erzählt und ihre besondere Art zu Hören wird ausführlich beschrieben. Wenn ich mich recht erinnere, dann wird dort aufgezählt, in welcher Weise die Menschen von Momo und ihrem Zuhören profitiert haben. Schüchterne fühlten sich plötzlich frei und mutig. Oder Unglückliche und Bedrückte wurden zuversichtlich und froh. Momo konnte so zuhören, dass ratlose und unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, dann spürte er auf einmal, während er das erzählte, wie sich sein Gefühl veränderte. Er spürte, dass es ihn genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören. Dieses Hören, wie es in dieser Erzählung beschrieben ist, und das, was aus dem Hören folgt, das wünsche ich mir auch. Ich hoffe, dass dies nicht nur eine schöne Absichtserklärung von mir ist, ein neuer Vorsatz, der doch wieder schnell vergessen wird, wie so viele guten Vorsätze. Ich möchte in Begegnungen daran denken und versuchen so zu sein, wie Jakobus es im 1. Kapitel festhält: „Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.“  

Autor/-in: Pastor Ralf Schöll