16.07.2024 / Serviceartikel

Schlaflos durch das Leben

Über den Umgang mit chronischer Insomnie

Viele Menschen leiden unter Schlafstörungen – auch Psychologin Dr. Kristin Conzelmann war lange Zeit betroffen. Doch wie sieht ein guter Umgang damit aus, und was kann wirklich helfen? Maria Dietz hat mit Dr. Kristin Conzelmann über das Thema gesprochen.

00:00 Uhr: Normalerweise bin ich zu dieser Uhrzeit schon lange im Land der Träume angekommen. Eigentlich bin ich müde und habe mich auf mein Bett gefreut, doch sobald mein Kopf das Kissen berührt hat, war ich hellwach.

00:20 Uhr: Statt zu schlafen fallen mir all die Dinge ein, die ich heute nicht geschafft habe und die dringend erledigt werden müssten. Ich mache das Licht wieder an, nehme einen Zettel und schreibe alles auf.

00:28 Uhr: Ich mache das Licht wieder aus und denke über die Frau im Supermarkt nach, der ich mit meinem Einkaufswagen den Zugang zur Kühltheke versperrt habe, und ärgere mich, dass ich sie nicht früher bemerkt habe.

00:40 Uhr: Was hat meine Bekannte wohl gemeint, als sie sagte „Überlass das mal lieber anderen!“ Denkt sie etwa, ich kann das nicht? Ist da vielleicht was dran? Oder wollte sie mich nur schützen, damit ich mich nicht überfordere? Vielleicht möchte sie die Aufgabe auch lieber allein übernehmen…

01:12 Uhr: Ich habe heute schon wieder keinen Sport gemacht und gehe in Gedanken die Konsequenzen dafür durch.

01:30 Uhr: Es ist schon so spät, nun sollte ich endlich mal einschlafen! Ich wälze mich hin und her … Wie lege ich mich am besten hin, damit ich gut einschlafen kann?

2:00 Uhr: Dann denke ich an die Freundin, der ich schon vor Wochen bei WhatsApp antworten wollte und wie sie mein Schweigen wohl interpretiert.

Je später es wird, desto mehr ärgere ich mich darüber, dass ich nicht einschlafen kann. Hinzu kommt die Sorge vor dem nächsten Tag: Der wird sicher sehr anstrengend und dabei muss ich doch fit sein. Und wie ich erst aussehen werde mit dicken Augenringen…  Ich merke, dass es jetzt immer schwieriger wird, einzuschlafen.

Wenn die Schlaflosigkeit chronisch wird

Ich wette, jeder kennt es, gelegentlich nicht in den Schlaf zu finden und weiß, wie unangenehm das sein kann. Wenn das Nicht-Einschlafen-Können aber keine Ausnahme ist, sondern regelmäßig passiert oder einem sogar ganze Nächte an wertvollem Schlaf raubt, dann wird es zur reinsten Qual.

Dr. Kristin Conzelmann ist dieser Zustand sehr vertraut. Sie litt an chronischer Insomnie. Der Morgen nach einer durchwachten Nacht ist besonders hart, erzählt sie. Nach dem ersten Kaffee, Gebet und im besten Fall einem Spaziergang fühlt sie sich aber schon viel besser.

Schon als Kind hat Kristin in vereinzelten Nächten Schwierigkeiten mit dem Einschlafen. Seit ihrem Studium gab es immer wieder mal Phasen, in denen sie über einen längeren Zeitraum nur drei bis vier Stunden pro Nacht schlief und zwischendurch auch manches Mal unfreiwillig ganze Nächte durchwachte.

Insbesondere fiel das Einschlafen vor aufregenden oder belastenden Ereignissen schwer, wie zum Beispiel vor dem Schwimmunterricht oder einem besonderen Ausflug. Doch sie hat es auch erlebt, ohne offensichtlich erkennbaren Grund schlaflos zu bleiben. Das, was Kristin erlebt hat, ist kein Einzelfall.

Deutschlandweit klagt mehr als ein Drittel der Bevölkerung über Schlafprobleme, in Form von Einschlafschwierigkeiten, Problemen beim Durchschlafen oder sogar komplett durchwachten Nächten.

In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der Betroffenen laut einer Statistik um circa 2%. Tendenziell sind mehr Frauen als Männer von Schlafstörungen betroffen. Außerdem wächst mit steigendem Alter die Zahl der Menschen, die Probleme beim Schlafen haben. Von chronischer Insomnie spricht man, wenn die Schlafprobleme an mindestens drei Tagen pro Woche über mindestens drei Monate anhalten.

Schlafmangel ist nicht zu unterschätzen

Einfache Schlafprobleme bis hin zu chronischer Insomnie sind also keine Seltenheit und werden voraussichtlich in Zukunft immer mehr von uns betreffen.

Eine bedenkliche Tendenz, wenn man sich die körperlichen und psychischen Folgen anschaut: Wer wenig schläft, ist leichter reizbar und weniger belastbar. Sein Nervenkostüm ist dünner und die Konzentrationsfähigkeit leidet. Wir sind anfälliger für Fehler als in ausgeschlafenem Zustand. Unter Umständen sind wir, ähnlich wie eine betrunkene Person, risikobereiter und handeln weniger rational und bedacht.

Ohne die nötige Ruhe, die unser Körper im Schlaf bekommt, geraten wir unter Stress.

Der erhöhte Ausschuss von Cortisol sorgt dafür, dass wir leistungsfähig bleiben, hat aber auf Dauer gesundheitliche Folgen.

Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch erhöhten Blutdruck wird auch das Immunsystem geschwächt, und wir sind anfälliger für psychische Erkrankungen wie z.B. Depressionen. Die Liste an möglichen Risiken und Folgen von chronischem Schlafmangel ist lang. Sie ist aber wenig hilfreich für alle, die sich diesen Zustand nicht ausgesucht haben.

Schlaflos. Und jetzt?

Generell wird empfohlen, dem Körper mithilfe eines regelmäßigen Tagesablaufs und einer Zubettgehroutine zu signalisieren, dass nun Schlafenszeit ist. Ein eher kühl temperiertes, abgedunkeltes und ruhiges Schlafzimmer, das Vermeiden von blauem Licht kurz vor dem Zubettgehen (Computer, Smartphone, Fernseher) und die ausschließliche Nutzung des Betts zum Schlafen, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, besser einschlafen zu können.

Auch Entspannungs- und Achtsamkeitstechniken, pflanzliche Mittel, Meditation, Gebet, das bewusste, wertfreie Wahrnehmen von Gefühlen oder das Aufschreiben von wiederkehrenden Gedanken können Betroffenen helfen, besser in den Schlaf zu gleiten.

Wenn allerdings all das nicht hilft, dann sollte man einen Arzt aufsuchen.

Denn es gibt auch eine Reihe gesundheitlicher Gründe, die Schlaf verhindern können. In diesem Fall kann ein Besuch im Schlaflabor Klarheit bringen.

Kristin hielt besonders das Verarbeiten und Reflektieren von Eindrücken des vergangenen Tages oder die Sorge, über das was am kommenden Tag anstand, vom Einschlafen ab. Dahinter steckten hinderliche Glaubenssätze, wie z.B. „Du darfst dir keine Fehler erlauben“ oder „Du musst es allen rechtmachen“.

Aber auch die Angst vor dem Nicht-Einschlafen-Können, die sich oftmals entwickelt, wenn man über einen längeren Zeitraum mit den unangenehmen Auswirkungen von zu wenig Schlaf konfrontiert wird, hat sie in der Vergangenheit viele Stunden Schlaf gekostet.

Ein Gegenmittel gegen den Sturm in ihrem Kopf ist für sie körperliche Betätigung, wie z.B. der Spaziergang vor dem Zubettgehen. Auch Massage, die wertfreie Wahrnehmung ihres Körpers und ihrer Gefühle sowie sich selbst Mitgefühl für Erlebtes zu zeigen, helfen ihr dabei, den Alltag ausklingen zu lassen und sich auf die Nacht einzustellen.

Mit Gott durch die Nacht

Zeitweise war Kristin sehr frustriert über ihren Zustand. Doch mit der Zeit lernte sie, ihren Ärger und die Wut über ihre Schlaflosigkeit ehrlich vor Gott zu bringen. Außerdem hat sie sich selbst in dieser Phase besser kennengelernt und hinderliche Glaubenssätze durch förderliche Haltungen ersetzt. „Ich bin dadurch freier und heiler geworden“, verrät sie mir im Interview.

Auch wenn Kristin noch immer Phasen hat, in denen sie Probleme hat in den Schlaf zu finden, beeinflusst dies ihre Gottesbeziehung heute nicht mehr negativ. Ihre Beziehung zur Gott wurde tiefer, echter und freier, nachdem ihr bewusst wurde, dass Gott ihren Schmerz und ihre Wut aushält und sie wirklich liebt – so wie sie ist, mit Licht und Schatten.

Die promovierte Diplom-Psychologin hat am eigenen Beispiel erfahren:

Gefühle wollen gefühlt werden. Nicht jeder Mensch hält unsere Emotionen so gut aus wie Gott. Bei ihm können die Gefühle wirklich rausgelassen werden und ihren Zweck erfüllen.

Für mich ist Kristin eine echte Ermutigung in ihrem Umgang mit der Schlaflosigkeit. Sie hat sich mit sich selbst auseinandergesetzt, sich besser kennengelernt und Strategien gefunden, die ihr persönlich helfen. Ihr Beispiel zeigt mir auch, dass es sich lohnt, Gott im Leid zu suchen.

Auch wenn Gott mein Problem nicht sofort oder vollständig entfernt, ist er mit mir und beschenkt mich auf dem Weg hindurch. Er hat für mich umfassendere, psychische, geistliche und körperliche Heilung im Sinn als nur die Befreiung von meinem Problem oder die Heilung meiner Krankheit.

Kämpfst du auch mit Schlaflosigkeit – und was sind deine Strategien dagegen? Schreib es uns gerne in die Kommentare.

Autor/-in: Maria Dietz

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