21.04.2019 / Wort zum Tag

Scherbe oder Mosaik?

Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Töpfer: Was machst du?

Jesaja 45,9

Ihr Browser unterstützt HTML5 Audio nicht!

Es ist faszinierend, wie vertraut Menschen im Alten Testament mit ihrem Gott waren. Vor allem in den Psalmen lesen wir, wie innig das Verhältnis zu ihm war:  „Hoffet auf ihn allezeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus; Gott ist unsre Zuversicht.“ Ps 62,9.

Welche Sehnsucht nach Gott steckt in dem Wort „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele Gott zu dir!“ Ps 42,2.

Wie viel Freude steckt in diesem „Dies ist der Tag, den der Herr macht. Lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein!“ Ps 118,24

Gott ist der Helfer in Not, das Licht in der Dunkelheit, der Barmherzige, der Gnädige und Vollkommene.

Demgegenüber klingt der Bibelvers aus Jesaja 45,9 geradezu erschütternd. „Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Schöpfer: Was machst du?“

Jammern, klagen, weinen, schreien? JA!

Aber Gott auf die Anklagebank setzen? NEIN!

Mich als Mensch überheben und es besser wissen, überschreitet die Grenzen. Gott vorschreiben, was er zu tun hätte, das ist Anmaßung.

Der Grat ist schmal. Schnell wird aus der persönlichen Klage eine bittere Anklage. Aus der Verzweiflung eine überhebliche Verurteilung. Aus der Hilflosigkeit ein verbittertes Wort. Ich erinnere mich an manche Situation im Leben, in der ich Gott gegenüber verbittert war und ihm mit Vorwürfen und Verbesserungsvorschlägen in den Ohren lag. Es blieb nicht bei dem ehrlichen: „Warum machst du das Gott?“ oder „Warum lässt du das zu, Vater?“ oder „Ich verzweifle an dir!“ Nein, es war Anklage.

Ich denke auch an einen Freund, dessen Frau viel zu jung gestorben ist und der seitdem mit Gott hadert. Er ist richtig sauer auf Gott und hat ihm sogar eine Bedingung gestellt:  „Gott, wenn du noch was von mir willst, dann melde dich bitte. Ich von mir aus habe genug von dir!“  Er war auch mal fasziniert von Gott. Jetzt ist er nur noch enttäuscht. Jetzt schreibt er die Spielregeln. Er weigert sich, abhängiges Geschöpf zu sein, sondern erhebt sich aus Bitterkeit über Gott.

Das Bild vom Töpfer und der Scherbe ist insofern verfänglich, als dass man hineinlesen könnte, dass wir in Gottes Augen letztlich nur Ausschussware sind. Kein Widerwort. Aber so ist das nicht gemeint. Richtig ist, dass wir uns Gott gegenüber immer unserer Stellung bewusst sein sollen. Wir sind Geschöpfe. Das gibt dem Schöpfer alle Rechte. Im Prinzip. Gott hat sich aber entschieden, nicht nur HERR, sondern auch Vater, Tröster, Heiland zu sein. Gott pocht nicht auf sein Recht. Er gewährt Gnade. Dieses Wissen lässt mich nicht mit überheblichen Vorwürfen, sondern mit hoffnungsvollen Bitten zu ihm kommen. Und außerdem: Gott kann aus Scherben herrliche Mosaike machen. Bevor ich mich beschwere, warte ich erst mal ab, was Gott mit mir vorhat.

Autor/-in: Bernhard Kuhl