19.04.2015 / Wort zum Tag

Sacharja 9,10

"Denn ich will die Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde."

Sacharja 9,10

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Leute mit "Großmacht-Phantasien" gibt es in unseren Tagen mehr als genug. Die einen wollen allen ihre Religion aufzwingen, und machst du da nicht mit, dann Kopf ab. Andere streben für ihr Land nach der Macht und dem Ruhm vergangener Zeiten. Wieder andere wollen die globale Vernetzung von Informationen. Sie lassen keine Individualität, keine Privatsphäre mehr zu.
Da kann man den Satz aus dem Alten Testament, der uns heute begleiten soll, leicht missverstehen. Im Buch des Propheten Sacharja heißt es nämlich über den erwarteten Erlöser: "Seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und bis an die Enden der Erde." Schauen wir aber genauer hin, dann entdecken wir ein paar wichtige Unterschiede:
Erstens schreibt Sacharja nämlich direkt vorher, wie dieser Erlöser seine Herrschaft aufrichten wird: "er wird Frieden gebieten den Völkern". "Frieden" – hebräisch "Schalom" – ist keine erzwungene Friedhofsruhe, die aufhört, sobald der Machthaber Schwäche zeigt. Im Gegenteil: Es ist ein Zustand wirklich ungestörter Harmonie, wie kein Mensch sie sich schöner und besser vorstellen kann. "Ich will die (Kriegs-)Wagen wegtun aus Ephraim und die Rosse aus Jerusalem und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden", heißt es. Kein "Gleichgewicht des Schreckens" soll diesen Frieden sichern, sondern nur die Macht des Erlösers. Rüstungsexporte sind dann kein Thema mehr, weil man keine Rüstung brauchen wird. Herrliche Zeiten!
Zweitens werfen wir einen Blick hinüber ins Neue Testament, zu Jesus von Nazareth, von dem wir Christen glauben, dass er jener erwartete Erlöser ist. Auch er spricht von der "Königsherrschaft Gottes". Das ist aber nun kein Territorium, das man auf einer Landkarte eintragen könnte. Es ist die Gemeinschaft der Menschen, die sich – freiwillig und aus Überzeugung – auf seine ungewöhnliche Art zu herrschen eingelassen haben, die sich ihm anvertraut haben.
Den heutigen Sonntag verbinden die christlichen Konfessionen mit dem Bild von Jesus als dem "guten Hirten". Hirten wecken in mir die Vorstellung von dem vorsorgenden, fürsorgenden, starken Helfer und Beschützer. Ich erinnere mich noch gut an das entsprechende Gemälde im Schlafzimmer meiner Großeltern. Das war offenbar der Wunsch dieser Generation, die zwei Weltkriege erlebt hatte: dass „ein Guter“, „ein Starker“, einer, der helfen kann und will, mit dabei ist im innersten Raum einer Ehe und Familie.
„…bis an die Enden der Erde“ soll sein Einflussbereich sich erstrecken, sagt Sacharja. Ja, das wäre schön, wenn möglichst viele, am besten alle Menschen den „guten Hirten“ Jesus für sich entdecken würden! Wir Christen sollten alles dafür tun, damit sie überhaupt von ihm erfahren! Aber wir können sie nicht dazu zwingen sich diesem Hirten anzuvertrauen. Um Vertrauen kann man nur werben. Wenn sich der gute Hirte dann letzten Endes doch durchsetzt, auch gegen Widerstände, dann ist das nicht mehr unsere Sache. Das ist in seiner Hand.
 

Autor/-in: Dekan Dr. Heinz-Werner Neudorfer