14.02.2014 / Wort zum Tag

Sacharja 12,10

"Aber über das Haus David und über die Bürger Jerusalems will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets."

Sacharja 12,10

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Es ist zum Jammern – zum Klagen – zum Brüllen – es ist zum Weinen.
Man könnte ausrasten – mit den Zähnen knirschen – ins Lenkrad beißen.
Man könnte verzweifeln.
Brauchen Sie einen Anlass, oder wissen Sie, wovon ich rede?
Die Verspätung bei der Bahn – der Stau auf der A5 – der nörgelnde Chef – die völlig verpeilte Tochter – der unpünktliche Ehemann – der Kontoauszug - was weiß ich, was Sie gerade zum Verzweifeln bringt.
Vielleicht müssen Sie ja auch gerade etwas wirklich Dramatisches verkraften – das Leben ist nicht immer fair.
So ungefähr dürften sich im 4. Jahrhundert vor Christus die Einwohner Jerusalems gefühlt haben, als sie mitten in den Trümmern ihrer Stadt und ihres Lebens eine Botschaft von Gott erhalten haben, die ihnen der Prophet Sacharja ausrichten sollte.
„Aber über das Haus David und über die Bürger Jerusalems will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets.“
Na prima, mögen sie gedacht haben – von Gnade und Gebet allein steht mein Haus auch nicht wieder da, Gnade und Gebet bringen mir meinen Ehemann nicht zurück und machen meinen Sohn nicht wieder lebendig!
Ist das nicht ein bisschen wenig?
Ist es das?
Im hebräischen Text steht in dem Bibelvers für Gebet ein Wort, das eigentlich Bitten, Flehen und damit auch Klage bedeutet.
Gott verspricht den Jerusalemern, die im Elend versinken den Geist der Gnade und der Klage.
Ist das denn wirklich hilfreich?
Mitten im Elend – im existentiellen oder im alltäglichen - scheint Klage doch das Normalste von der Welt zu sein – wofür braucht es da eine besondere Gabe von jenseits der Welt, noch einen zusätzlichen göttlichen Geist der Klage? Klagen können wir doch prima alleine: uns beklagen, andere anklagen…
Aber Gott sein Leid klagen? Das ist etwas anderes!
Was würde sich verändern, wenn ich im Stau statt vor mich hin zu fluchen und auf die anderen Deppen um mich herum zu schimpfen, Gott meinen Ärger anvertrauen würde?
Wenn ich statt nachts im Bett über das Minus auf dem Konto zu grübeln, Gott meine Sorgen anvertrauen würde?
Wenn ich statt heimlicher Vorwürfe an die Kinder, die sich nie melden, Gott meine Einsamkeit klage würde?
Dann könnten sich der Ärger, Sorgen und Einsamkeit nicht mehr so auftürmen und mir die Sicht auf die Wirklichkeit und die Hoffnung für mein Leben nehmen.
Dann wäre ich nicht mehr alleine mit meinem Elend – Gott stünde dann neben mir, würde mich in den Arm nehmen und mir den Rücken stärken.
Natürlich nicht nur mir – Ihnen auch!
Aber vielleicht gelingt es Ihnen ja besser als mir, aus den inneren Seufzern, Sorgen und Vorwürfen ein Gebet zu machen. Ich muss da noch üben und ich brauche den Geist der Gnade und des Gebetes, mit dem Gott uns rausholt aus der eigenen trübsinnigen Nabelschau in die Weite seiner Zukunftsperspektive. Üben Sie doch mit mir.
 

Autor/-in: Pastorin Kerstin Offermann