03.12.2007 / Artikel

"Rollenverteilung"

Neulich kam Adelheid, meine Freundin. Sie müsse sich unbedingt mal wieder bei mir ausheulen und brauchte meinen neutralen (!) Rat. "Weißt du", sagte sie über den Rand ihrer geliebten hellblauen Cappuccinotasse, "es sind gar nicht die großen Ereignisse, die mir auf den Keks gehen. Es sind die klitzekleinen Dinge des Alltags:

Neulich kam Adelheid, meine Freundin. Sie müsse sich unbedingt mal wieder bei mir ausheulen und brauchte meinen neutralen (!) Rat. "Weißt du", sagte sie über den Rand ihrer geliebten hellblauen Cappuccinotasse, "es sind gar nicht die großen Ereignisse, die mir auf den Keks gehen. Es sind die klitzekleinen Dinge des Alltags:

Die herumliegende Socke 14 cm vor dem Wäschekübel, die offene Zahnpastatube oder der verbogene Kronkorken nebst Öffner und offenstehender Schublade - einen Meter neben dem gelben Sack!
...und die provozierende Penetranz, mit der sie mich alle anschauen!"

Sie seufzte tief, trank einen Schluck und fuhr fort:

  "Erst lag es einfach nur da, dieses kleine graue Stück Altpapier. Ich wäre fast achtlos dran vorbeigegangen, bemerkte es in letzter Sekunde, nahm es und warf es in den Papierkorb.

Kaum zwei Wochen später fiel es mir dann auf. Der beste Ehemann der Welt war doch vom Klo direkt ins Büro gegangen. Warum hatte er die leere Papprolle nicht einfach mitgenommen? Dachte es und schwieg.

Wieder eine gute Woche später bemerkte ich, dass er zwar eine neue Rolle aufgehängt, aber wieder nicht im entferntesten daran gedacht hatte, die alte zu entsorgen. Sie war fein säuberlich auf dem Fußboden geparkt. Aber er war ja noch nicht weit weg. »Nimmst Du die leere Klorolle mit ins Altpapier?«, rief ich ihm so beiläufig wie möglich nach - Er hat es nicht gehört.

Im Ehekurs: In den ersten fünf Jahren hatten wir gelernt, wie man Stressfaktoren vermeidet. Und das gelang mir auch - zunächst:
Ich spulte einfach immer die letzten Blättchen der Rolle auf die neue und entsorgte die leergezupfte selbst. Eine wundervolle Lösung.

Früher oder später jedoch kam, was kommen musste: Die frische Rolle klemmte dienstbereit auf dem Halter, die leere schien sich wie mit einem entschuldigendem Schulterzucken hinter dem Reserveständer zu verkriechen. Ich hob sie auf und stellte sie mitten auf den Klodeckel, und zwar so, dass sie wie ein Vorwurf mit Ausrufezeichen wirkte. Ich musste sie dann zwar zunächst noch mal wegräumen, weil ich der nächste Besucher des stillen Örtchens war. Aber ich stellte sie hinterher wieder genauso hin.

Am nächsten Morgen fand ich sie an ihrem ursprünglichen Platz. Allerdings hatte sie nächtlichen Besuch gehabt: eine Spinne hatte ein kunstvolles Netz über ihre Öffnung gewebt. »Das war jetzt aber das letzte Mal!«, nahm ich mir vor, griff das unschuldige Objekt, zerknüllte es mit einer Hand und warf es im hohen Bogen direkt in den Altpapierkarton.

Bis zum nächsten Putztag habe ich durchgehalten und es geschafft, mich nur ganz kurz zu ärgern. Es gibt schließlich Schlimmeres. Ich werde nicht geschlagen, er raucht und trinkt nicht, kommt relativ pünktlich heim, trägt sogar gelegentlich den Kompost raus, und hängt zumindest die Rolle »richtig herum« auf.

Dieses Bewusstsein hat mir bis zum nächsten Zehnerpack geholfen. Dann hatte ich eine Idee:
Ich ignoriere den Zustand einfach und warte, bis er es selbst merkt. Die Idee erwies sich als unbrauchbar. Ich wischte um eine, zwei, drei leere Rollen sorgfältig herum... dann habe ich doch wieder alle drei selbst weggeworfen.

Eine Weile war ich dann selbst der "Endverbraucher". Das Familienleben entspannte sich spürbar. Was dann geschah, wäre fast zu einem Straßenfest ausgeartet:
Das morgens noch vorhandene »Leergut« auf dem Rand der Badewanne war mittags verschwunden - ohne dass ich selbst Hand angelegt hatte! In meiner Euphorie überschlugen sich die Ideen, wie ich dem besten Ehemann der Welt meine Anerkennung so deutlich machen könnte, dass er diese Verhalten bis ans Ende seiner Tage beibehalten würde.

Meine Planungen reichten von einem überschwänglichen Dankesschreiben mit duftendem rosa Briefpapier über ein Candlelight-Dinner bis zu einem "Gutschein für Zehn-Mal-Rollen-entfernen". Letzteres verwarf ich aber sofort wieder, denn ich befürchtete, er werde dann in seine alten Verhaltensmuster zurückfallen. Dann entdeckte ich die leere Rolle hinter dem Abflussrohr.

Adelheid war fertig mit sich und ihren kreativen Ideen. Sie rutschte etwas tiefer unter den Küchentisch und sah mich fragend an. Gemeinsam schwiegen wir eine Weile.

Dann erkannten wir, dass es viel schlimmer wäre, unsere Männer vielleicht aus einem Rollstuhl auf die Toilette hieven zu müssen - oder nicht mal das noch. Wir merkten, dass wir umdenken müssen. Auch wir haben schließlich unsere Macken. Es ist gut, dass unsere Männer nicht perfekt sind, denn sonst lägen alle Eheprobleme an uns Frauen. Und wir sind dankbar, dass sie gesund sind und die Rollen ganz alleine wegräumen könnten.