13.06.2013 / Wort zum Tag

Römer 8,15

Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern wir haben einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater!

Römer 8,15

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Stellen wir uns ein Laufställchen vor. Dort versucht das kleine Kind, erste Schritte zu gehen. Das sieht ungelenk aus. Aber immerhin. Eltern, Geschwister und womöglich auch die Großeltern stehen um ihr Kind herum, beobachten das Ganze - und sind selig. Und wenn der Sprössling noch versucht, erste Worte zu formen, kennt das Verzücken keine Grenzen. Jeder hört aus dem Gestammel natürlich das heraus, was er am liebsten hören möchte.

Solche Szene hat Paulus vor Augen, wenn er an die Gemeinde in Rom schreibt. Gott hat uns Christen einen „kindlichen Geist“ geschenkt. Gottes Kinder sind wir. Wir gehören zu Gottes Familie. Nun rufen wir „Abba“. Damit ist die Verkleinerungsform von „Vater“ gemeint, also Papi oder Vati. Das Wort „Abba“ bildet das Plappern des Kleinkindes nach.

Stellen Sie sich vor: In diesem Ton dürfen wir mit unserem Gott reden. Eng und vertraut. Auf Du und Du. Gott kommt es nicht auf unsere gewählte und womöglich auch gezierte Gebetssprache an. Nein, Hauptsache, wir reden mit ihm.

So läuft das ja auch bei Eltern. Nur Rabeneltern würden ihr Kleines im Laufstall zurechtweisen: „Du mit deinem Geplappere: Lern erst mal richtig Deutsch. Ohne ordentliche Haupt- und Nebensätze läuft gar nichts, wenn du mit uns reden willst. Also üb’ das, bis du’s beherrschst.“

Wie töricht! Eltern freuen sich doch über jeden Piepser, den das Kleine von sich gibt. Es ist doch ihr Kind! Und es sucht zu ihnen den Kontakt. Etwas Schöneres lässt sich kaum denken!

Genauso spielt sich das ab zwischen Gott und uns. „Abba“, das reicht. Daraus spricht Liebe pur. Kein Frommer hätte es zur Zeit des Paulus gewagt, Gott in dieser Tonart anzureden. So etwas gehört sich doch nicht! Das ist respektlos!

Doch solche Haltung bezeichnet Paulus als „knechtischen Geist“. Paulus hat das an sich selbst erlebt. Er wollte Gott beeindrucken mit seiner Frömmigkeit. Die Furcht, dabei etwas verkehrt zu machen, war sein ständiger Begleiter. Doch dann ist’s passiert: Jesus hat ihn, den frommen Paulus, unversehens eingeholt und gestellt. Bei Jesus geht Paulus eine neue Welt auf: Nicht auf das kommt es an, was ich leiste und Gott bringe, sondern auf das, was Jesus für mich getan hat. Das allein zählt vor Gott. Paulus staunt. Und er greift zu. Er klammert sich an Jesus und bindet sein Leben an ihm fest. Das ändert alles: aus Furcht vor Gott wird Freude an Gott, aus Angst wird Jubel, aus dem „knechtischen Geist“, der immer in der Furcht lebt, zu wenig zu tun, um Gott zu gefallen, wird ein „kindlicher Geist“, der sich an dem freut, was Jesus für ihn getan hat. Der sich nun frei und unbefangen an Gott wendet mit allem, was ihm auf dem Herzen liegt. „Abba, lieber Vater“.

Was für ein Glück, wenn wir das heute für uns ganz persönlich erfassen: Jesus macht Gott für mich zum Vater und Freund. Unverkrampft und ungeziert darf ich mich nun an ihn wenden: „Abba, lieber Vater“. Ich darf vor Gott ausbreiten, was mir auf dem Herzen liegt. Er hört mir zu und nimmt mich ernst. Ich darf bei Gott auch schweigen, wenn mir nicht nach Reden zumute ist. Und manchmal darf ich auch meinen Ärger rauslassen, weil ich Gott nicht verstehen kann.

Und Gott ist in jeder Lage für uns da. Er freut sich, wenn wir uns ehrlich an ihn wenden, in welcher Tonlage auch immer. Es müssen nicht gewählte Worte sein. Hauptsache, wir trauen ihm viel zu und sprechen offen aus, wie uns zumute ist.

Nun ist es an uns, dass wir uns an Gott wenden und mit ihm reden. Je öfter, desto besser. Gott wartet darauf und freut sich drüber.

Autor/-in: Präses i. R. Dr. Christoph Morgner