09.01.2014 / Wort zum Tag

Römer 12,10

Liebt einander von Herzen als Brüder und Schwestern, und ehrt euch gegenseitig in zuvorkommender Weise.

Römer 12,10

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Zur Zeit unterrichte ich in der Grundschule, das ist wunderschön, nachdem ich 12 Jahre davor an der Hauptschule unterrichtet habe; in manchen Klassen war das eine echte Herausforderung! Ich bin manchmal sehr verzagt hingegangen. Manchmal habe ich mir vorgestellt, wie den Flur entlang Engel sitzen – dass eben auch die Geister Gottes anwesend sind, nicht nur die bösen Geister... Und manchmal habe ich mir vorgenommen: „Ich werde heute meine Schüler lieben „auf Deibel komm raus“; ich werde gnadenlos freundlich sein!“

Vielleicht sind Sie jetzt entsetzt über meine Ausdrucksweise? Sie haben recht: zum Teufel gehört Liebe gerade nicht! Aber in diesem Moment, als ich es mir vornahm, machte es mir deutlich: „Ich laufe in der Spur Jesu – und ich werde mich nicht unterkriegen lassen von Beleidigungen, ich werde der Fassade nicht glauben, die mir ein Jugendlicher entgegenhält! In seinem Inneren ist mancher oft nur verletzt und traurig – aber er zeigt das ja nicht!

Ich habe keine Ahnung, ob ich in der Schule überhaupt etwas Gutes angerichtet habe – aber es hat schon manchmal auch Freude gemacht, einem Schüler auf dem Flur zu sagen „Gott segne dich!“ – ungewohnte Worte in dieser Schule. Ich glaube sogar, die Schüler haben damit angefangen, „Gott segne Sie, Frau Schmidt!“, denn auf meinem Auto steht die Aufschrift „Es geht kein Mensch über diese Erde, den Gott nicht liebt“. Die Schüler haben das mehr aus Blödsinn gesagt, weil es so völlig fremd klingt, und trotzdem waren solche Worte in der Schule schön!

„Liebt einander von Herzen“ sagt Paulus, und das geht vielleicht auch nur, wenn man sich wappnet, wenn man aus einer andere Kraft heraus denkt und lebt. Lieben kann ich nicht aus mir selbst! Und nun sagt das Paulus von Christen untereinander, denn er sagt „Liebt einander als Brüder und Schwestern“, das heißt: in der Gemeinde, als Menschen, die Jesus als ihren Herrn angenommen haben. Ist das in der Gemeinde nun leichter? Bei uns in der Landeskirche ist das recht leicht, denn man trifft sich nicht so oft, man kriegt nicht soviel voneinander mit, auf Abstand geht Lieben leichter… Nun ja, wie wenn es in unseren Gemeinden weniger Konflikte gäbe… es ist schon nicht immer leicht, die Art des anderen zu akzeptieren – und „ihn zu ehren in zuvorkommender Weise“. „Zuvorkommend“ heißt: dass ich schneller bin als er, wenn es gilt, etwas Gutes zu tun. „Ehren“ heißt nicht unbedingt: „alles gut finden“, aber das zu respektieren, was der andere tut. Ich finde das sehr entspannend, dass ich nicht beurteilen muss, ob der andere gut ist oder schlecht; ob er Gutes macht oder Schlechtes - das tut schon mein Herr Jesus. Ich soll ihn nur lieben!

Miteinander leben – wie schwer! Wie oft vergleiche ich mich mit anderen. Wie schwer ist es, den anderen zu sehen, dass er etwas hat, was ich nicht habe: wie oft werde ich dann neidisch! Und unzufrieden. Oder ich sehe, dass er weniger hat als ich – und werde überheblich und verachte ihn und denke: ich bin halt doch der Bessere! 

Den anderen „lieben und ehren“ – so heißt es in der Traufrage bei der Hochzeit. Und davor steht noch die Voraussetzung: „Glaubst du, dass Gott dir deinen Mann/deine Frau anvertraut hat, willst du ihn lieben und ehren…?“ Ist das nicht so ähnlich wie mit den Brüdern und Schwestern in der Gemeinde: dass Gott sie mir anvertraut hat? Geschwister sucht man sich nicht aus. Man bekommt sie durch die Eltern. Ob Gott weiß, wen er mir als Mitchrist vor die Nase setzt? Vielleicht nicht immer zur puren Freude, vielleicht auch zum Abschleifen, zum Lernen?

Wie kann ich meine Brüder und Schwestern heute lieben? Vielleicht indem ich für sie bete – oder einfach versuche, nicht schlecht über sie zu reden? Wie kann ich sie ehren? Vielleicht indem ich sie lobe und damit das Gute wahrnehme, das sie tun oder haben? Finde ich heute Gelegenheiten dazu?

Autor/-in: Pfarrerin Renate Schmidt