01.07.2019 / Wort zum Tag

Rettende Selbsterkenntnis

Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.

Psalm 139,23–24

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Es war einmal ein Salatkopf. Bald übertraf er alle anderen Salatköpfe im Beet an Größe. Das stieg ihm so sehr in den Kopf, dass er hochnäsig tönte: „Ja, ja, Köpfchen muss man haben!“ Schließlich kam der Tag der Ernte. Der große Salatkopf meinte, natürlich als Erster geerntet zu werden. Er sollte sich täuschen. Man mochte ihn nicht mit seinen großen, aber zähen Deckblättern. Man schnitt die Salatköpfe ab, die ein zartes Herz hatten. Zu spät erkannte er: Der Kopf tut’s nicht – das Herz ist gefragt!

Psalm 139 sagt uns: Genau das hatte der größte König Israels, David, erkannt. Nicht sein Kopf – sein Herz war gefragt! Gefragt von Gott. Gefragt von dem, der ihn genau kannte. Der seine Gedanken von ferne verstand. Der alle seine Wege sah. Der jedes Wort auf seiner Zunge wusste. Und trotzdem war von Gott sein Herz gefragt! Nicht deshalb, damit Gott dann vieles von David erfahren würde, was ihm bisher unbekannt war. Nein, David wollte selber neu erkennen, wie es um sein Herz bestellt war! Deshalb bat er Gott am Ende seines Psalms: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich’s meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege."

Was für ein mutiges Gebet! David hätte doch Angst haben müssen, was ihm Gott alles aufzeigen könnte: jede offenkundige Schuld, jede verborgene Sünde. Ohne Chance, sie zu leugnen oder sich selber davon freizusprechen.

Ist es dann nicht riskant, sich Gott so auszuliefern, wie es David getan hat? Mit der Aufforderung an Gott, uns zu erforschen, zu prüfen und zu erkennen, würden wir uns ihm doch ans Messer liefern –  ja, unser eigenes Todesurteil sprechen! Das wäre so, wenn Gott nicht vor 2000 Jahren seinen eigenen Sohn uns Menschen ausgeliefert und geopfert hätte. Nur aus dem einen Grund: damit Sie und ich durch und mit Jesus den Weg zum ewigen Leben finden und gehen. Deshalb nur Mut zur Selbsterkenntnis, die Gott uns schenken will! Sie ist die Rettung für jeden Menschen. Er mag getan haben, was er will.

Ein junger Mann steht mir vor Augen. Er musste mich unbedingt sprechen. Kaum hatte er in meinem Amtszimmer Platz genommen, legte er los: „Herr Pfarrer, mein Herz ist ein Saustall! Meine Frau wollte sich von mir scheiden lassen. Ich nicht. Ich wollte sie umstimmen. Vergeblich. Da packte mich so die Wut, dass ich sie vergewaltigte! Jetzt habe ich mein ganzes Leben versaut.“ „Stimmt nicht!" antwortete ich ihm. „Es gibt für Sie noch eine zweite Chance. Drehen Sie sich mal um! Hinter ihnen hängt ein Kreuz an der Wand. Es ist die Garantie: Der daran starb, starb auch für Ihre Schuld!“ Deshalb konnte ein Luther sagen: ‚Ist unser Herz unser Verteidiger, ist Gott unser Ankläger. Ist aber unser Herz unser Ankläger, ist Gott unser Verteidiger.’ Womit Luther sagen wollte: Wer sich selbst beschuldigt, den entschuldigt Gott! Wer ihm gegenüber seine Schuld zugibt, dem vergibt er sie – um Jesu willen! Das ist Ihre zweite Chance,“ ermutigte ich den Mann. Er schwieg. Ich betete mit ihm.  Dann ging er wieder.

Ob ihn unser Gespräch zu Jesus geführt hat, weiß ich nicht. Ich weiß nur, Jesus wartet darauf, dass Sie und ich – und wenn es mit Herzklopfen ist – mit David beten: „Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz.“ Und wir dann mit unserer Selbsterkenntnis zu ihm gehen, unter sein Kreuz, weil das unsere Rettung ist!

Autor/-in: Pfarrer i. R. Gerhard Weinreich